Buchrezension

Grüß Gott, Herr Imam!

Rezensionen zum Buch „Grüß Gott, Herr Imam!“

27. Mai 2014 | Rezensionen

Imam Idriz: Grüß Gott Herr Imam

„Grüß Gott, Herr Imam“ behandelt in zehn Kapiteln Fragen wie Frauen im Islam, Theologie und Imam-Ausbildung in Deutschland sowie das Reizthema Scharia und Grundgesetz. „Und es möchte zeigen, dass es möglich ist: Islam und Demokratie, Menschenrechte, Freiheit, Gleichberechtigung miteinander zu vereinbaren“, sagte Autor Benjamin Idriz. „Und zwar nicht, weil Muslime sich quasi notgedrungen an Verhältnisse anpassen müssten, die ihnen innerlich widerstreben, sondern weil alle diese Werte dem Islam entsprechen, weil der Islam – nach meinem Verständnis – genau das von uns verlangt.“

Das Buch sei an Muslime und Nicht-Muslime gerichtet. Idriz warf Islam-Kritikern vor, explizit und beharrlich bestehende Probleme zu benennen, aber nur selten seriöse Lösungsvorschläge einzubringen. Er wolle mit seinem Buch den Unterschied verdeutlichen „zwischen denen, die über Muslime reden und zur Eskalation von Konflikten beitragen, und denjenigen, die mit Muslimen gemeinsam nach Lösungen suchen“.

Benjamin Idriz, Grüß Gott, Herr Imam! Eine Religion ist angekommen, Diederichs Vlg. München 2010, ISBN 978-3-424-35042-5, € 16,99

Plädoyer für Aufklärung und Reform

Von Dr. Andreas Renz, EOM München
Ökumenereferat des Erzbistums München und Freising

Allah – Gott
Idriz verwendet konsequent und bewusst die deutsche Übersetzung des arabischen Wortes „Allah“: Gott. Dies ist durchaus nicht selbstverständlich für Muslime in Deutschland und anderswo, weil sie häufig in „Allah“ einen Eigennamen des einzig in der islamischen Offenbarung wahren Gottes sehen. So wird in Koranübersetzungen von Muslimen das Wort „Allah“ meist nicht übersetzt. Sprachwissenschaftlich jedoch ist „Allah“ einfach das arabische Wort für Gott. Die Wiedergabe mit „Allah“ im Deutschen (auch auf Seiten von Nichtmuslimen) deutet meist auf eine bewusste oder unbewusste Abgrenzung von anderen Religionen hin. Dem will Idriz explizit entgegentreten, indem er betont, dass „Allah“ die „arabische Vokabel für denselben, weil einzigen Schöpfer und Herrn der Welt“ sei (7). Damit wendet sich Idriz klar gegen einen Exklusivitätsanspruch des Islam, wie er kennzeichnend ist für traditionalistische und fundamentalistische Lesarten. Dies entspricht auch der offiziellen katholischen Lehre (vgl. Lumen gentium, Art. 16), wo es heißt, dass die Muslime „mit uns zu dem einen Gott beten“.

Universalität und Kontextualität
Idriz ist sich der Vielgestaltigkeit, Kontextualität und Wandelbarkeit von Religion und damit auch des Islams bewusst (vgl. 8, 46). Anders als fundamentalistische Ideologen unterscheidet er klar zwischen der Unveränderlichkeit der Quellen und der veränderlichen und kontextuellen Auslegung dieser Quellen. Die Aussage, dass der „Islam, wie ihn Muhammad interpretiert und gelebt hat … einen universellen Charakter“ besitze (15), bedürfte aber dann doch einer kritischeren und differenzierteren Diskussion. Interessant ist aber, dass er die Normativität des Korans und der Prophetentradition nur für die Glaubensangelegenheiten gelten lässt, während in weltlichen Dingen Vernunft und Erfahrung maßgeblich sein müssten: „Der ‚Euro-Islam’ bedeutet, sich beim Gebet nach Mekka und bei der Politik nach Brüssel bzw. Berlin zu richten“ (55). Dies deutet auf eine Position hin, die – anders als die islamistische Ideologie – Religion und Politik im Islam trennen will.

Scharia
Historisch nicht richtig ist, dass Muhammad die Sklaverei und die Blutrache abgeschafft hätte (vgl. 21). Zwar gibt es zahlreiche Gebote, die auf die Überwindung der Sklaverei zielen (z.B. Sure 90,13), aber ein Verbot gibt es weder im Koran noch in der Sunna. Die Blutrache (qisas) wurde in Form des – vom Judentum übernommenen ­– Talionsrechtes ebenfalls stark eingeschränkt und einem ordentlichen Gerichtsverfahren unterworfen – was ohne Zweifel ein Fortschritt in der Rechtsentwicklung war –, aber keineswegs verboten (vgl. Sure 2,178).

Problemtisch erscheint mir die Forderung nach einem Fatwa-Rat für Europa und Deutschland (vgl. 52). Ein Fatwa-Rat, dessen Funktion in der Erstellung von Rechtsgutachten bestünde, ist überflüssig, wenn die Scharia in Europa keine Rechtsquelle sein soll. Der bereits bestehende Fatwa-Rat in Europa hat derzeit außerdem auch problematische Personen als Mitglieder (z.B. den islamistischen Prediger Yusuf al-Qaradawi). Nötig für die Muslime hier wie für die politische und gesellschaftliche Diskussion (etwa in Fragen der Bioethik) wäre stattdessen ein islamischer Ethikrat. Der Islam in Europa müsste sich m.E. von einem verrechtlichten Verständnis von Religion und Glaube hin zu einer Gesinnungs- und Verantwortungsethik entwickeln. D.h., es kann nicht darum gehen, dass Religionsexperten den Muslimen kasuistisch Rechtsgutachten an die Hand geben, sondern es muss um die Entwicklung und Vermittlung von ethischen Prinzipien gehen, die es dem einzelnen Muslim ermöglichen, in ethischen Konfliktsituationen selbstverantwortet zu entscheiden. Idriz betont mit Recht in diesem Zusammenhang wie an vielen anderen Stellen immer wieder die Bedeutung des individuellen Gewissens (vgl. 129, 197 u.ö.).

Entscheidend für die Reformfähigkeit des Islam bes. in rechtlichen und ethischen Fragen ist die Auffassung, dass die Scharia „eine Sache der menschlichen Interpretation“ ist (118). Die Aussage, wonach es „Auslegungen und Interpretationen von einigen Gelehrten im Bereich Strafrecht“ gebe, „die mit dem heutigen Verständnis der Menschenrechte nicht kompatibel sind“ (118) ist sicherlich eine Untertreibung: Zum einen sind es nicht nur einige, sondern es ist – global gesehen – eher der Mainstream im Islam, zum anderen betrifft die Unvereinbarkeit nicht nur die Auslegungsebene, sondern bereits auch die Bezugsquellen der Auslegung, nämlich Koran und Sunna. Idriz selbst lehnt Körperstrafen und Todesstrafe unmissverständlich ab (vgl. 119).

Plädoyer für Aufklärung und Reform
Begrüßenswert ist das Plädoyer für islamische theologische Fakultäten und wissenschaftliche Institutionen für die Ausbildung von Imamen und Religionslehrern (vgl. 53). Idriz sieht darin die Chance für eine „islamische Aufklärung“ (53) und für eine „grundlegende Reformation im islamischen Denken“ (61). Er selbst scheint diesen Weg der Reform und Aufklärung gehen zu wollen, wenn er davon spricht, dass der „erkenntnistheoretische Inhalt des Gotteswortes … ebenso göttlich wie menschlich (war)“ (62). Geradezu revolutionär wird es, wenn er den „Übergang von einer gottzentrierten Kultur zu einer menschzentrierten“ fordert (64), die von den Menschenrechten ausgeht und das individuelle Gewissen betont. Indem er sich auf islamische Reformansätze wie die der Ankaraner Schule (historisch-kritische Koranhermeneutik) bezieht (vgl. 64, 122) und einen vernunftbetonten Ansatz präferiert (64f), knüpft er an die rationale Theologie der Mu’taziliten im frühen Islam an, auf die sich viele gegenwärtige Reformkräfte im Islam berufen (vgl. bes. auch 205-208). Dass er dabei auch auf den aufgrund seiner Rolle während der Naziherrschaft umstrittenen bosnischen Reformtheologen Husein Djozo Bezug nimmt, ist in diesem Rahmen verzeihlich, wird Djozo doch in vielen islamwissenschaftlichen Arbeiten der Gegenwart zitiert, ohne zugleich stets auch die dunklen Seiten in dessen Biographie zu thematisieren. Idriz hat sich inzwischen klar und glaubwürdig von diesen problematischen Seiten der Biographie Djozos distanziert.

Mit seinem vernunftorientierten Ansatz wendet sich Idriz gegen jede Form eines blinden Traditionalismus ebenso wie gegen eine wortwörtliche Auslegung der Quellen. Vielmehr kommt bei ihm ein kommunikationstheoretisches Offenbarungs- und Auslegungsverständnis zum Tragen (vgl. bes. 68), das an den ägyptischen Reformer Abu Zaid (gest. 2010) erinnert. Dies kommt einem Paradigmenwechsel innerhalb des Islams gleich.

Idriz zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht nur an reformorientierte Ansätze der Vergangenheit und Gegenwart anknüpft, sondern sogar kreativ weiterentwickelt. So versucht er aus der klassischen Lehre von den fünf Zwecken der Scharia (Schutz des Glaubens, des Lebens, der Vernunft, des Eigentums, der Nachkommen) – die er um die Prinzipien Freiheit und Gleichberechtigung ergänzt (vgl. 127f) – die modernen Freiheits- und Gleichheitsrechte abzuleiten (vgl. 70, 127f). Die religiösen Grundlagentexte (Koran und Sunna), so Idriz, müssten im Einklang mit diesen Zielen interpretiert werden. Damit hat er ein hermeneutisches Werkzeug geschaffen, um den Islam moderne- und pluralismusfähig zu machen.

Stellung der Frau
Sein siebtes Prinzip – Gleichberechtigung – legt der Autor dann in den folgenden Kapiteln aus. Die Formulierung „Die Frau und der Mann sind gleichgestellt, was ihre Aufgaben und ihre Verantwortung Gott gegenüber betrifft ebenso wie ihre Belohnung dafür“ (17) lässt zunächst die Positionierung zur rechtlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung von Mann und Frau vermissen, diese wird aber dann zumindest implizit nachgereicht: „Alle Menschen sind auf Erden vor dem Recht gleich.“ (18)

Vor allem mit Bezug auf Sure 4,1 versucht er – wie viele feministische Ansätze im Islam – die Gleichheit der Geschlechter koranisch zu begründen (vgl. 136), ohne dabei den patriarchalischen Kontext des Korans zu leugnen (vgl. 141). Für ihn ist die Gleichberechtigung der Frau eine notwendige Voraussetzung für eine gelingende Integration. Doch die Selbstkritik geht tiefer: „Leider ist in der Literatur, im Diskurs, im Denken und im Tun der Muslime nicht wenig ‚Frauenfeindlichkeit’ zu finden“ (133). In Bezug auf die sog. „Ehrenmorde“ will sich Idriz nicht mit der oft beschwichtigenden Formel begnügen, dies hätte mit dem „wahren Islam“ nichts zu tun – er fordert ernstzunehmende Präventionsprogramme von den muslimischen Organisationen (vgl. 132). In Bezug auf die problematische Züchtigungsformel in Sure 4,34 entscheidet sich Idriz im Anschluss an den türkischen Koranexegeten Ihasn Eliacik für eine Übersetzung des Verbums daraba mit „sich für eine Weile trennen“, statt mit „schlagen“. Dies widerspricht zwar der jahrhundertelangen Auslegungstradition, semantisch jedoch ist eine solche Übersetzung durchaus möglich. Damit könnte eben eine neue Auslegungstradition grundgelegt werden. Die vom Koran erlaubte Polygynie interpretiert Idriz als den historischen Umständen geschuldetes Zugeständnis, das eigentlich auf die Monogamie hintendiere (vgl. 152ff).

Idriz hält ein Schleierverbot für kontraproduktiv und setzt sich stattdessen für die Freiheit der Frau ein, selbstbestimmt zu entscheiden: „Frauen, die aus Gründen der Reinheit den Kopf bedecken, sind zu würdigen. Das heißt aber nicht, dass die anderen sündigen.“ (157) Dennoch macht er keinen Hehl daraus, dass für ihn der ideale Mann und die ideale Frau in Körperbedeckung, Charakter und Gebet „das Maximum“ erreichen sollten, d.h. „Bedeckung des ganzen Körpers außer dem Gesicht, der Hände und der Füße“ (159). Dies ist sicherlich ein eher konservatives Verständnis, das jedoch auch in außerislamischen religiösen Kontexten keineswegs ungewöhnlich ist (Mittelmeerraum, Osteuropa etc.). Deutlich spricht er sich gegen den Gesichtsschleier oder den Ganzkörperschleier aus: „Die Gesichter müssen frei bleiben. … Wer es versteckt, verheimlicht seine Identität. Das Gesicht ist Ausdruck für die moralische Verantwortung eines Menschen dem anderen gegenüber “ (164).

Gemeinsame Werte
Idriz bekennt sich – nicht erst mit diesem Buch – eindeutig und immer wieder zur Trennung von Religion und Staat, zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit (vgl. 74ff, 112). Der letzte Teil des Buches widmet sich denn den gemeinsamen Werten von Muslimen und Nichtmuslimen in Deutschland. Idriz betont: „Das Fundament für die Integration in einem Land bildet das Erlernen der Landessprache, die Treue zur Verfassung und das Annehmen der ‚europäischen Werte’“ (172). Diese europäischen Werte aber seien samt und sonders auch zugleich islamisch: die Zehn Gebote, die Goldene Regel, die Achtung der Menschenwürde, die Freiheit des Einzelnen, gesellschaftlicher Frieden, Pluralismus und Toleranz, Gerechtigkeit usw. (vgl. 174-218). Krieg ist für Idriz „nur zur Verteidigung legitim“ (18, vgl. 193), kriegerische Stellen im Koran seien „historisch bedingt“. Idriz betont auch die Religionsfreiheit, zum Problem der Konversion bzw. zum traditionellen islamischen Apostasieverbot jedoch nimmt er nicht gesondert Stellung (im mündlichen Gespräch versichert Idriz, dass Religionsfreiheit für ihn natürlich auch das „uneingeschränkte Recht auf Religionswechsel oder auch zu Religionslosigkeit“ einschließt).

Fazit
Es ist meines Wissens das erste Buch eines in Deutschland wirkenden Imams und es gibt wohl kaum einen zweiten unter den Imamen in Deutschland, der so selbstkritisch mit der eigenen Religion umgeht, in diesem Maß dialogorientiert ist und eine derart reformorientierte, in manchen Punkten gar revolutionäre Theologie vertritt wie Idriz, weil er Würde und Wohl des Menschen in den Mittelpunkt seiner Theologie stellt. Dies erinnert immer wieder an die „anthropologische Wende“ (Karl Rahner) der christlichen Theologie im 20. Jh. Diese Stimme wird neben den an deutschen Universitäten wirkenden muslimischen Theologen eine weichenstellende Rolle einnehmen in der weiteren Entwicklung des Islams in Deutschland und Muslime wie Nichtmuslime werden gut daran tun, seine Stimme zu hören und mit ihm zusammen weiterzudenken. Denn dieses Buch richtet sich nicht nur an die Nichtmuslime in Deutschland, sondern mindestens ebenso sehr an die muslimische Community. Es geht bei diesem Projekt um nichts weniger als um die Inkulturation des Islam, um die Entwicklung einer islamischen Theologie in europäischem Kontext.

Wer dieses Buch liest, muss erkennen, dass die Vorwürfe des bayerischen Verfassungsschutzes gegen Idriz obsolet sind. Idriz mag – aus welchen Gründen auch immer – in der Vergangenheit Kontakte zu Personen der islamistischen Szene (IGMG, IGD) gehabt haben, sein Denken, Reden und Handeln weist in eine völlig andere Richtung. Es wäre politisch wie gesellschaftlich m.E. ein großer Fehler, ihn weiterhin unter Verdacht zu stellen.

Idriz argumentiert an mehreren Fronten gleichzeitig

Von Stefan Silber

Zur Diskussion um die Integration muslimischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in Deutschland leistet Benjamin Idriz, Imam der Moschee im bayerischen Penzberg, einen wichtigen und eigenständigen Beitrag. Er vertritt einen „europäischen“ Islam, der liberal und flexibel, kreativ und selbstbewußt das islamische Glaubensbekenntnis im kulturellen Umfeld Europas neu aussagen und Gestalt gewinnen lassen will.

Idriz‘ Buch ist flott geschrieben und auch einem breiteren Kreis von Leserinnen und Lesern leicht zugänglich. Fachtheologen werden darin manche systematische Tiefe und kritische Reflexion vermissen, aber der theologische Dialog ist offenbar nicht das Ziel des Buches. Vielmehr geht es dem Imam darum, für ein Verständnis des Islams zu werben, das der europäischen Kultur nicht nur nicht entgegensteht, sondern sich in ihr bestens entfalten kann. Dieses Verständnis möchte er nicht nur bei seinen nichtmuslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, sondern auch bei seinen Glaubensgeschwistern wecken. Er macht daher immer wieder darauf aufmerksam, daß es in Mazedonien und vor allem in Bosnien schon seit vielen Jahrhunderten einen europäischen, aufgeklärten und demokratischen Islam gibt.

Idriz argumentiert an mehreren Fronten gleichzeitig: Der wachsenden Islamfeindlichkeit in Deutschland entspricht eine Tendenz zur Abschottung gegen die Gesellschaft innerhalb mancher islamischer Gemeinden. Beiden Gesprächspartnern will Idriz begreiflich machen, daß der Islam weder der Demokratie noch dem Pluralismus ablehnend gegenübersteht. Vielmehr möchte er zeigen, daß der Islam im Kern eine friedfertige, vernünftige Religion ist, die sich in unterschiedlichen Kulturen und zu unter­schiedlichen Zeiten sehr verschieden ausprägen kann und muß. Idriz bemüht sich um ein hermeneutisches Verständnis des Korantextes: „Wie würde Gott den Koran in unserem 21. Jahrhundert formulieren?“ (64)

Zahlreiche Stereotypen in der gesellschaftlichen Diskussion über den Islam, wie häufig kritisiertes oder auch nur unterstelltes Fehlverhalten von Muslimen, werden von Idriz kenntnisreich als punktuelle kulturelle Ausprägungen, unwesentliche Zutaten zum Wesen der islamischen Religion oder schlicht als Fehlinterpretationen oder gar böswillige Zuschreibungen entlarvt. Im einzelnen widmet er ganze Kapitel den Bereichen Werte, Politik, der Ausbildung von Imamen in Deutschland, der Bedeutung der Scharia und der Frauen­frage. Bei jedem Thema möchte er zeigen, daß der Islam bereits in der Mitte der europäischen Gesellschaft angekommen ist und keine Bedrohung für die westliche Lebensweise darstellt, sondern lediglich einige legitime religiöse Akzente setzen möchte.

Manches klingt zu schön, um wahr zu sein. Oft vermißt man ein deutliches Wort der Kritik gegenüber der westlichen Lebensweise, die so erstrebens- und nachahmenswert nun auch wieder nicht ist. Auch ein Wort der Selbstkritik, über die Kritik an einem fundamentalistischen Verständnis des Islams hinaus, war offenbar nicht beabsichtigt. Dennoch stellt Idriz‘ Buch einen wertvollen Beitrag angesichts einer immer emotionaleren Diskussion um den Islam in Europa dar. Wenn gerade der von Idriz vertretene „Euro-Islam“ abgelehnt wird, indem Angst vor einer „schleichenden Islamisierung Europas“ (58) geschürt wird, unterstreicht dies, wie wichtig eine vorurteilsfreie Diskussion um die Religion einer großen Minderheit unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger in Deutschland geworden ist.

Quelle: stimmen-der-zeit.de

„Hvaljen Bog, gospodine imame“ – balkanski model islama

Eine Rezension von Rüdiger Rossig für DW in serbo-kroatischer Sprache
Rüdiger Rossig je novinar, pisac i stručnjak za Balkan, posebno nekadašnju Jugslaviju

Islam je dio Europe – već više od 600 godina / Dvostruko bosansko iskustvo / Demokracija i ljudska prava – islamske vrijednosti / Revolucionarno tumačenje islama / Knjiga protiv islamofobije.
Benjamin Idriz, imam rođen u bivšoj Jugoslaviji, tumači Kur’an kao uputstvo za angažman u korist demokracije i ljudskih prava. Po njemu islam ne samo da se u Europu može lako integrirati, već je odavno dio nje.

Benjamin Idriz je propovjednik vješt na riječima. U svojoj knjizi „Hvaljen Bog, gospodine imame“ (Grüß Gott, Herr Imam) on na 220 stranica ne samo da potvrđuje koliko dobro zna pripovijedati i argumentirati. Nakon lektire jedanaest poglavlja te knjige čitaocu se koža naježi jednako kao nakon inspirirane propovjedi nekog kršćanskog svećenika na nedjeljnoj misi. To je samo jedan od brojnih dokaza za točnost autorove tvrdnje istaknute u podnaslovu knjige: Islam ne samo da se može intergrirati u Njemačku i Europu – on je već odavno tu.

Sâm Benjamin Idriz je u višestrukom smislu Europljanin. Rođen je 1972. godine u Skoplju, živi već godinama kao imam u Penzbergu u Bavarskoj. Ovaj gradić sa 16.000 stanovnika nastao je u 19. stoljeću u okolici jednog rudnika, ljudi su ovdje dolazili iz različitih krajeva. O tome svjedoče i različite crkve i bogomolje: tu su katolici i protestanti, tu su Jehovini svjedoci, adventisti, novoapostolski kršćani – i muslimani.

1966. rudnik je zatvoren, ali općini ne samo da je uspjelo pronaći novi posao za 13.000 nekadašnjih rudara, već je i čitavo mjesto dobilo novi izgled: nekadašnje sive zgrade dobile su nove, moderne šarene fasade, izgrađeni su parkovi, igrališta za djecu…Danas ovaj uzoran gradić ima 5.000 stanovnika više nego u trenutku zatvaranja rudnika.

Islam je dio Europe – već više od 600 godina
Prvi muslimani došli su početkom 60ih kao gastarbajteri iz tadašnje Jugoslavije i Turske, i odavno su postali „pravi Penzbergljani“. A na modernu džamiju koja je tu izgrađena nisu ponosni samo vjernici. Imam Idriz se dobro uklapa u Penzberg. On vrlo uspješno povezuje tradiciju i modernost. Potiče iz obitelji sa 150-godišnjom tradicijom imama, već sa jedanaest godina dobio je titulu hafiza – onog koji Kur’an zna napamet. Teologiju je studirao u Siriji, Francuskoj i Libanonu, svoj diplomski rad je pisao o emancipaciji žene u islamu. Odlučio se za život u Njemačkoj, tečno govori njemački, turski, albanski, arapski, makedonski i bosanski.
Iskustvo koje je stekao u nekadašnjoj Jugoslaviji je za njega bilo odlučujuće – kako u dobrom, tako i u lošem. U svojoj knjizi on s pravom skreće pažnju na činjenicu da islam nije nikakva nova religija u Europi. U Bugarskoj, Albaniji, Makedoniji te prije svega u Bosni i Hercegovini i na Kosovu postoji taj „euro-islam“ – i to već više od 600 godina.

Dvostruko jugoslavensko iskustvo
To s jedne strane znači da je i moguće i potrebno „oživjeti modele mirnog suživota koji su stoljećima bili prakticirani u Andaluziji i na Balkanu“ kako bi se ne stvorila, već „u nama Europljanima iznova probudila ta mogućnost zajedništva.“ S druge strane jugoslavenska tragedija nas uči kuda vodi politika diskriminacije i izopćavanja manjina – „u rat, razaranje i patnju za sve.“
U svojoj knjizi Idriz na mnogo mjesta navodi činjenice koje unose novu perspektivu u aktualnu njemačku raspravu o islamu koja se često odlikuje upravo nevjerovatnom površnošću i neznanjem. On objašnjava zbog čega se islam u Bosni i Hercegovini morao dalje razvijati nakon što su se Osmanlije povukle i koji su muslimanski mislioci koje reformske ideje uveli u raspravu.
Svi ti navodi Idriza vode do njegove središnje teze: glavna zadaća islama je očuvanje mira! A najbolje sredstavo za to su demokracija i zaštita ljudskih prava. Idriz se zalaže za moderno tumačenje uloge žene u islamu i naglašava da se muslimani trebaju angažirati za zaštitu ljudskih prava, pravne države i mira u društvu. To je islamska tradicija koja se razvila u Bosni i Hercegovini i to je „europski islam“ koji se toliko traži. U toj potrazi ljudi iz nekadašnje Jugoslavije mogu pomoći.

Demokracija i ljudska prava – islamske vrijednosti
Najkasnije na ovom mjestu postaje jasno – Idriz želi puno toga postići. Taj svoj stav on prenosi i dalje, vjernicima: oni trebaju ne samo moliti kako Kur’an nalaže, već se trebaju angažirati i oko integracije, pravednosti u društvu, demokracije i poštivanja načela pravne države i ljudskih prava. Oni osim toga trebaju biti otvoreni prema dostignućima znanosti i s poštovanjem se odnositi naspram drugih religija i vjernika. Idriz se zalaže za islam koji zna u kakvom su odnosu država i religija, „’ko je gazda, a ‚ko je gost“, kako on to kaže. Taj islam je s jedne strane jednako tako spojiv sa demokracijom kao na primjer Katolička ili Protestantska crkva ili Centralni savjet židova u Njemačkoj. Istovremeno je on jednako kao i druge religijske zajednice spreman i sposoban aktivno se angažirati i sporiti kada je u pitanju zaštita demokracije i ljudskih prava. Jer to su, tvrdi Idriz, sastavni dijelovi vrijednosnog sustava islama. Pritom islam, za koji se zalaže imam iz Penzberga, nije neka razvodnjena verzija te religije prilagođena Zapadu. U nekim središnjim temama poput pitanja o braku, obitelji i razlika među spolovima Idriz zastupa stavove koji se uobičajeno nazivaju konzervativnima. On primjerice vrlo jasno brani pravo žene da se odijeva u skladu s pravilima Kur’ana – pri čemu burku ili feredžu raskrinkava kao predislamske i neislamske pojave.

Revolucionarno tumačenje islama
Ali na nekim drugim poljima je Idriz upravo revolucionaran. Imam iz Penzberga želi etničku rascjepkanost muslimana u Njemačkoj – koji se sada okupljaju svaki u svojoj „nacionalnoj“ džamiji u kojoj se govori jezik samo te jedne zajednice – prevladati zajedničkim propovjedima na zajedničkom jeziku, njemačkom. Time bi se pospješila, kako integracija među samim muslimanima u zemlji, tako i njihova zajednička integracija u njemačko društvo. Osim toga se Idriz zalaže i ne samo za jačanje uloge žene u islamskim zajednicama. Želi redovnu sveučilišnu izobrazbu za islamske teologe na njemačkom jeziku koja je otvorena, kako za muškarce, tako i za žene. A za te buduće ženske imame islamske zajednice bi trebale u budućnosti moći birati žene i za svoje predsjednike.

Knjiga za njemačke čitatelje
Knjiga „Hvaljen Bog, gospodine imame“ navodi na razmišljanje. Ta knjiga je esej, manifest. Istovremeno je to vrlo uspješno napisan prozni tekst. Ona se može preporučiti i kao uvod u muslimasku religiju i kao inspiracija za argumentirano suprotstavljanje islamofobiji. Ljudi iz nekadašnje Jugoslavije će u njoj naći malo toga što već nisu znali – tamo je nekada bilo normalno i uobičajeno da se za Bajram posjeti susjeda. Ali za mnoge Nijemce će to biti sasvim novo otkriće. To bi mogla biti dodatna motivacija da se s ljudima sa područja nekadašnje Jugoslavije podijeli ne samo negativno iskustvo raspada zajedničke zemlje, već i pozitivno iskustvo suživota u jednoj multireligijskoj zemlji.

Knjiga protiv islamofobije
U potrazi za realno egzistirajućim evropskim islamom bi ljudi iz nekadašnje Jugoslavije mogli biti od velike pomoći. I u slučaju kada se netko – kao ateist – s imamom Idrizom ne slaže u svim točkama i tezama, uvjereni smo da se tu radi o osobi koja bi mogla postati jedan od vodećih njemačkih i europskih muslimanskih teologa, mislilaca i aktivista suvremenog doba. Mi se nadamo da će njegova inteligentna, angažirana i dobro napisana knjiga pronaći put do mnogih čitalaca, i time uspješno djelovati kao protuotrov protiv islamofobije u Njemačkoj.

Knjiga Benjamina Idriza, „Grüß Gott, Herr Imam“ objavljena je u izdanju Diedrichs-Verlaga iz Münchena 2010 godine

Ein Buch macht Hoffnung

Von Dr. Stefan Jakob Wimmer

Man sollte sich vom Titel dieses Buches nicht irritieren lassen. Was es zu sagen hat, ist nicht speziell für Süddeutschland relevant. Dabei ist der Buchtitel schon sehr gehaltvoll: Das bayerische „Grüß Gott!“ und ein Buch über Islam – für immer noch erschreckend viele Menschen stecken darin schon begriffliche und inhaltliche Widersprüchlichkeiten. Schließlich gibt es Muslime, die meinen, sie müssten sich möglichst allem, was hierzulande Tradition hat, verweigern und sich bis in den Sprachgebrauch hin abgrenzen und unterscheiden. Und Nicht-Muslime, deren Wahrnehmung von Islam sich auf die eben genannten Muslime beschränkt, und die es schon für hinterhältige Verstellung halten, wenn Muslime „Gott“ anstelle von „Allah“ sagen. Das alles rückt das Buch schon im Vorwort zurecht und stellt fest, dass es ausgerechnet in einer oberbayerischen Kleinstadt, in Penzberg 50 km südlich von München, möglich wurde, „dass der Imam seinen Platz im gesellschaftlichen und kulturellen Gefüge der Stadt einnimmt, dass er – und seine Islamische Gemeinde – ein Teil davon ist.“ Wenn der Islam aber selbst in Bayern als „angekommen“, wie es der Untertitel proklamiert, akzeptiert werden kann, dann ist die Hoffnung begründet, dass das überall gelingen kann.Man sollte sich vom Titel dieses Buches nicht irritieren lassen. Was es zu sagen hat, ist nicht speziell für Süddeutschland relevant. Dabei ist der Buchtitel schon sehr gehaltvoll: Das bayerische „Grüß Gott!“ und ein Buch über Islam – für immer noch erschreckend viele Menschen stecken darin schon begriffliche und inhaltliche Widersprüchlichkeiten. Schließlich gibt es Muslime, die meinen, sie müssten sich möglichst allem, was hierzulande Tradition hat, verweigern und sich bis in den Sprachgebrauch hin abgrenzen und unterscheiden. Und Nicht-Muslime, deren Wahrnehmung von Islam sich auf die eben genannten Muslime beschränkt, und die es schon für hinterhältige Verstellung halten, wenn Muslime „Gott“ anstelle von „Allah“ sagen. Das alles rückt das Buch schon im Vorwort zurecht und stellt fest, dass es ausgerechnet in einer oberbayerischen Kleinstadt, in Penzberg 50 km südlich von München, möglich wurde, „dass der Imam seinen Platz im gesellschaftlichen und kulturellen Gefüge der Stadt einnimmt, dass er – und seine Islamische Gemeinde – ein Teil davon ist.“ Wenn der Islam aber selbst in Bayern als „angekommen“, wie es der Untertitel proklamiert, akzeptiert werden kann, dann ist die Hoffnung begründet, dass das überall gelingen kann.

Das ist das eine, das dieses Buch auszeichnet: es macht Hoffnung! Denn der Autor schreibt mit der Autorität eines Hafis, der den Koran schon als Kind vollständig auswendig beherrscht hat, er schreibt mit der Verwurzelung in einer über viele Generationen zurückreichenden Familienlinie von Imamen, er schreibt aus der intimen Vertrautheit mit den muslimischen Kulturen des Balkans ebenso wie der Türkei und der Arabischen Welt heraus, und er schreibt auf dem soliden Fundament vieljähriger Praxiserfahrung mit der Wirklichkeit der Muslime in Deutschland. Das allein schon zeichnet dieses Buch vor allem aus, was bisher im deutschen Sprachraum über Islam geschrieben wurde und begründet eindrucksvoll die Kompetenz des Autors aus muslimischer Sicht. Gleichzeitig bekennt sich der Imam engagiert zu seiner Identität als Europäer. Er ist hier kein Fremder. 1972 im damals jugoslawischen Mazedonien geboren, teilt er mit der großen Mehrzahl der hier lebenden Muslime die Erfahrung der Migration und kennt wie sie die Spannung zwischen der Verbundenheit zu einem Land, in dem man selbst oder die Elterngeneration geboren wurde und dem Land, in dem man selbst und die eigenen Kinder das Leben und die Zukunft einrichten. Und doch steht außer Frage, dass er als Muslim nicht weniger Europäer ist, als Bayern, Rheinländer, Franzosen oder Dänen.

Das ist das eine, das dieses Buch auszeichnet: es macht Hoffnung! Denn der Autor schreibt mit der Autorität eines Hafis, der den Koran schon als Kind vollständig auswendig beherrscht hat, er schreibt mit der Verwurzelung in einer über viele Generationen zurückreichenden Familienlinie von Imamen, er schreibt aus der intimen Vertrautheit mit den muslimischen Kulturen des Balkans ebenso wie der Türkei und der Arabischen Welt heraus, und er schreibt auf dem soliden Fundament vieljähriger Praxiserfahrung mit der Wirklichkeit der Muslime in Deutschland. Das allein schon zeichnet dieses Buch vor allem aus, was bisher im deutschen Sprachraum über Islam geschrieben wurde und begründet eindrucksvoll die Kompetenz des Autors aus muslimischer Sicht. Gleichzeitig bekennt sich der Imam engagiert zu seiner Identität als Europäer. Er ist hier kein Fremder. 1972 im damals jugoslawischen Mazedonien geboren, teilt er mit der großen Mehrzahl der hier lebenden Muslime die Erfahrung der Migration und kennt wie sie die Spannung zwischen der Verbundenheit zu einem Land, in dem man selbst oder die Elterngeneration geboren wurde und dem Land, in dem man selbst und die eigenen Kinder das Leben und die Zukunft einrichten. Und doch steht außer Frage, dass er als Muslim nicht weniger Europäer ist, als Bayern, Rheinländer, Franzosen oder Dänen.

So ist es nur konsequent und geradezu unvermeidlich, dass sich eines der zehn Kapitel auf die Frage nach dem viel strapazierten Begriff „Euro-Islam“ bezieht. Imam Idriz gehört nicht zu denen, die den Begriff rundheraus ablehnen, weil sie darin verschwörerische Absichten des „Westens“ wittern, mit dem Ziel, den Islam auszuhöhlen. Ohne solche und ähnliche Ängste zu ignorieren, geht es ihm darum, den Islam im europäischen Kontext zu interpretieren. Das ist durchaus nichts Neues. Man muss ja nicht einmal auf die lange zurückliegenden Auftritte des Islam auf dem europäischen Kontinent in Andalusien, Sizilien und im Osmanischen Osten zurückgreifen. Noch zum Ende des 19. Jahrhunderts fingen die bosnischen Muslime an, ihr ebenso originär islamisches wie originär europäisches Selbstverständnis theologisch fundiert zu entwickeln. Die Dynamik dazu verdanken sie der spezifischen historischen Konstellation, die das zu wesentlichen Teilen muslimische Land unter österreichische Herrschaft geraten ließ und damit die Muslime aus der weltlichen Regierungsgewalt eines Sultans und Kalifen (man kann es im Ergebnis nur so sagen:) befreite. Die Erfahrung von der Freiheit der Religion, die Muslime auf europäischem Boden erleben, ist eine im besten Sinne fundamentale, und aus ihr schöpft das theologische Denken von Imam Idriz erkennbar Kraft und Wärme.

So ist für ihn nicht vorstellbar, dass der Islam Staats- und Gesellschaftssysteme im Sinne eines so genannten „Gottesstaates“ fordert oder auch nur befürwortet. In der Institution des Kalifats, die weder im Koran noch in der Sunna verankert ist, sieht er einen Irrweg mit für die Muslime verhängnisvollen Folgen, der vollkommen zurecht „auf Nimmerwiedersehen in der Geschichte begraben“ wurde. In den Kapiteln „Islam und Politik“ und „Die Scharia und das Grundgesetz“ begründet er, wohlgemerkt immer entlang der islamischen Quellen und unter Einbeziehung der entsprechenden Strömungen, die die islamische Tradition vielerorts schon hervorgebracht hat, dass der Islam und die allgemein menschlichen Werte wie Freiheit und Gleichheit, Rechtstaatlichkeit und Demokratie, Frieden und Toleranz in keinerlei Konkurrenz zueinander stehen, sondern in Einklang miteinander verstanden werden müssen.

Das Buch enthält Teile, in denen der Autor theologische Modelle auf höchstem Niveau entwirft, etwa wenn im Kapitel „Vier Fundamente für eine islamische Theologie in Deutschland“ nach Verdammung des dogmatisch erstarrten Theologieverständnisses vergangener Jahrhunderte mit der Forderung nach einer auf den Menschen bezogenen, „horizontalen Theologie“ ein radikal zukunftsweisender Anspruch aufgestellt wird. Die Beziehungen zwischen Gott und Mensch, Text und Vernunft, Diesseits und Jenseits sowie Religion und Staat sind mehr partnerschaftlich, weniger durch Konkurrenz und Dominanz bestimmt, auszuleuchten: Ein als drohender Machthaber vorgestellter Gott „löst bei den Gläubigen Furcht und Zurückhaltung aus, bei den Atheisten hingegen die Verleugnung Gottes. … Für den Menschen ist Gott kein zu fürchtender Herrscher, sondern ein Freund, bei dem der Mensch Zuflucht vor seinen Ängsten sucht; für Gott ist der Mensch ein Geschöpf, mit dem er die Welt aufbaut.“ – „Ein Verständnis des Glaubens, das sich von der Vernunft und Erkenntnis entfernt, wird Fanatismus hervorbringen und in Widerspruch mit den natürlichen Werten des Lebens gelangen.“ – „Ein religiöser Diskurs, der auf die Angst vor dem Jüngsten Tag ausgerichtet ist, gibt vielen Gläubigen das Gefühl der unmittelbaren Gegenwart dieser fernen Zukunft. … Für eine gesunde, schöne, sichere und glückliche Welt braucht man genauso viel Zuwendung wie für das Jenseits, selbst wenn sie vergänglich ist.“ – „Das Ziel ist, eine Ordnung zu schaffen, deren Hauptanliegen die Wahrung der Freiheit und Menschenrechte sein wird. Dies kann weder durch die Kontrolle des Staates durch die Religion verwirklicht werden noch durch die Kontrolle der Religion durch den Staat.“

An anderen Stellen führt Imam Idriz universelle Werte des Islam ganz behutsam und in traditioneller Weise ein, mit Koranzitaten und Belegen aus der Sunna (auch wenn die Ergebnisse manchen Traditionalisten irritieren mögen): „Die Gesetze des Landes zu befolgen“, „die Menschenwürde zu achten“, „die Freiheit zu verteidigen“, „für den Pluralismus einzutreten“, „die Gleichheit zwischen den Geschlechtern und in der Gesellschaft herzustellen“, „stets im Dialog zu bleiben“ – das und noch manches mehr sind nicht etwa Zugeständnisse an eine westliche Moderne, sondern es sind durch und durch islamische Werte.

Ganz konkret und ausführlich wird das im Kapitel „Frauen im Islam“ dargestellt. Dem Autor liegt dieser auch in der öffentlichen Diskussion zentrale Bereich besonders am Herzen. Seinen Forderungen an Muslime, Tabus aufzubrechen und – so der Untertitel des Kapitels: den „Weg zu neuen Reformen“ einzuschlagen, wird er auch hier in eindrucksvoller Weise gerecht. Er stellt alle Versuche, den Begriff „Gleichberechtigung“ muslimischerseits verbal zu umschiffen, als Auswege durch die Hintertür in Frage, um heute noch an einem nach wie vor weitgehend negativ geprägten Frauenbild festzuhalten. In der Moschee und in der Gesellschaft, bei der Erbverteilung, Zeugenschaft und selbstverständlich bei der Ehepartnerwahl gibt es, richtig verstanden, keine Grundlage für Benachteiligungen der Frauen. Zum Reizthema „Kopftuch“ argumentiert der Imam zunächst traditionell: „Es herrscht bei muslimischen Gelehrten beiderlei Geschlechts Einvernehmen über die Interpretation, dass die Bedeckung des Kopfes (des Haares) geboten sei“ – er verdammt aber die Extreme. Nicht nur das Zur-Schau-Stellen erotischer Reize ist verwerflich, sondern auch die Ganzkörperbedeckung einschließlich des Gesichts: „Schleier und Burka widersprechen der Menschenwürde“. Dagegen sollten aber nicht gesetzliche Verbote, wie etwa in Frankreich, eigesetzt werden, sondern islamische Aufklärung und gesunder Menschenverstand. Denn letztendlich geht es um die verantwortliche Entscheidung jeder individuellen Frau. „Es steht der Frau frei, ein Kopftuch zu tragen oder nicht zu tragen. Der Frau per Gesetz Vorschriften in Bezug auf das Kopftuch zu machen, ist weder von religiöser Seite noch von rechtlicher akzeptabel. Bei beiden besteht ein Recht auf freie Wahl der Kleidung. … Das Kopftuch ist weder das Maß der Frömmigkeit noch ein Gegenbeweis für die Integration. Das heißt, eine Frau mit Kopftuch muss nicht zwangsläufig religiöser sein als eine ohne Kopftuch, und eine Frau ist nicht unbedingt besser integriert, wenn sie kein Kopftuch trägt.“

Das alles wird nicht jeder begrüßen. Islamfeindliche Strömungen fühlen sich durch Imam Idriz naturgemäß ganz besonders aufgeschreckt, stellt er doch ihr Weltbild auf den Kopf und ihren Daseinszweck in Frage, wenn er nachweist, dass der Islam anders ist, oder jedenfalls anders sein kann und sein sollte, als es ihre ausschließlich konfrontativ ausgerichtete Optik zulassen möchte. Das ist auch der Hintergrund für die seit Jahren schwelende Kontroverse um Imam Idriz und seine Gemeinde, auf die das Buch nur en passant zu sprechen kommt. Von islamophoben Kreisen innerhalb des Bayerischen Innenministeriums ausgehend wurden sie beschuldigt, insgeheim verfassungsfeindliche Bestrebungen im Schilde zu führen und sogar „einen Gottesstaat nach iranischem Vorbild“ anzustreben…! Einschlägig bekannte Extremisten von den Organisationen „Pax Europa“ und „Politically Incorrect“ sind dankbar, dass sie sich auf ministerielle Verlautbarungen stützen können, wenn sie durch gezielte Aktionen den Frieden in Penzberg stören und den Imam zum zentralen Zielobjekt ihrer Hetzpropaganda machen. Die Vorgänge sind so haarsträubend, dass jüngst heftige politische Widerstände innerhalb der Bayerischen Staatsregierung zu einem gewissen Einlenken geführt haben.

Auf der Seite derer, die nicht bereit oder nicht in der Lage sind, den Islam so wie Imam Idriz zu verstehen, werden sich mit dessen zunehmender Prominenz freilich auch mehr und mehr Muslime melden. Auch wenn man vorher schon weiß, dass es nichts helfen wird, möchte man sie doch daran erinnern, dass es den starren, monolithischen Islam, der in allen Einzelheiten genau so ist, wie sie ihn einmal gelernt haben und ausschließlich gelten lassen, nicht gibt und nie gegeben hat. Es hat mit Spaltungsversuchen nichts zu tun, und es stellt die ewige Unveränderlichkeit der Offenbarung in keiner Weise in Frage, wenn man sich an der Vielgestaltigkeit der islamischen Kulturen durch alle Zeiten und Regionen als Bereicherung erfreut. Jede Zeit und jede Kultur hat dieselben Quellen von immer wieder neuen Voraussetzungen aus befragt, und dasselbe kann und muss für das Europa des 21. Jahrhunderts in Frage kommen. Die Totengräber der Muslime sollten weniger in einem vermeintlich feindlich gesinnten Westen gesucht werden, als unter denen, die eine lebendige Religion unter den Antworten und Zeitumständen früherer Jahrhunderte begraben wollen. „Als vitale Religion hat sich der Islam immer dann und dort erwiesen, wo sich die Muslime nicht an die Traditionen anderer Kulturräume und vergangener Epochen gekettet haben, sondern neue Antworten für ihre Lebenswirklichkeit suchten und fanden.“

So muss es jetzt darum gehen, dass nicht mehr Muslime gegen Nicht-Muslime ums Rechthaben streiten, sondern dass diejenigen, die in gegenseitigem Respekt an unserer gemeinsamen Zukunft bauen wollen, gegen solche zusammenstehen, die bekämpfen, was sie nicht verstehen. Das Buch von Imam Idriz wird sich auf diesem Weg als Meilenstein erweisen. Gerade weil es nicht beansprucht, „‘den Islam‘ letztgültig für alle Zeiten und Kulturen zu erläutern“, sondern weil es sich „als Beitrag zu einem Prozess versteht, der nie abgeschlossen sein wird. Die Debatte ist nicht nur der Weg, sondern in sich schon ein Ziel.“ Diese Debatte gilt es jetzt zu führen, damit Menschen in Deutschland in nicht allzu ferner Zukunft die Feststellung, der Islam sei hier angekommen, einfach nur als Selbstverständlichkeit betrachten.

Zwingt unsere Kinder zum Schulbesuch!

Eine Inquisition, die sich ihre Ketzer erfindet: Der bayerische Imam Benjamin Idriz setzt auf die Aufklärung der Muslime im Bündnis mit dem Staat. Trotzdem misstraut ihm der Verfassungsschutz.

Von Patrick Bahners, FAZ- Feuilletonchef (FAZ,17. März 2011)
Rezensent Patrick Bahners ist als dem Autor des Buches außerordentlich wohlgesinnter Rezensent wieder im Anti-Panikmacher-Einsatz. Der Imam Benjamin Idriz, der in der bayerischen Gemeinde Penzberg tätig ist, wird seit Jahren im Verfassungsschutzbericht erwähnt – was ihm vielfach schadet. Der Skandal daran, so Bahners: Es gibt für diese Erwähnung keinen hinreichenden Grund. Nichts, was Idriz je nachweislich geäußert habe, deute auf Nähe zum Islamismus – ganz im Gegenteil. Für dieses Buch, in dem der Autor ein weiteres Mal für die Vereinbarkeit des Grundgesetzes mit der Ausübung des muslimischen Glaubens argumentiert, gelte das wiederum. Anzuklagen sei in diesem Fall, so Bahners, einzig der Verfassungsschutz, der als „Inquisition“ einen „Ketzer erfindet“.

Nach der Fusion von Amazon und Google wird ja bestimmt ein Programm Amagoogle Bookcase View aufgelegt werden, das die Lokalisierung jedes auf der Welt gedruckten Buches erlaubt. Auch ohne die entsprechenden Algorithmen kann man heute schon mit Gewissheit behaupten, dass sich ein Exemplar des Buches „Grüß Gott, Herr Imam!“ von Benjamin Idriz in der Knorrstraße 139 im Münchner Stadtteil Milbertshofen befindet. Dort sitzt nämlich das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz, das Idriz, dem Imam der Islamischen Gemeinde Penzberg (IGP), seit Jahren besondere Aufmerksamkeit zuwendet.

Vor einigen Tagen stellte Innenminister Joachim Herrmann den Bericht für das Jahr 2010 vor. Dort heißt es mit implizitem Bezug auf das vorliegende Buch: „Der Imam der IGP hat im Berichtsjahr verschiedene Veröffentlichungen herausgegeben, in denen er für einen mit dem Grundgesetz vereinbaren Islam eintritt.“ Idriz behält seinen für Bürger im Staat des Grundgesetzes höchst gefährlichen Status: Er wird in Verfassungsschutzberichten „erwähnt“.

Radikales theologisches Manifest

Das Kultusministerium rät Lehrern deshalb davon ab, mit ihren Klassen die Moschee zu besuchen. Vergeblich hat die Gemeinde versucht, dem Geheimdienst die Erwähnung gerichtlich untersagen zu lassen. Ihre Niederlage im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat ihr die Erwähnung im jüngsten Bericht gesichert. Zwar lautet dort der letzte Satz: „Neue Erkenntnisse über verfassungswidrige Aktivitäten ergaben sich im Berichtsjahr jedenfalls nicht.“ Aber davor steht, es bleibe „abzuwarten“, ob in der in diesem Buch zum Ausdruck gebrachten „Distanz zu extremistischen Organisationen eine anhaltende, eigenständige, der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entsprechende Ausrichtung zu sehen ist“.

Das Buch ist ein radikales theologisches Manifest, das durch Freilegung des ursprünglichen Universalismus der koranischen Offenbarung den Nachweis führen will, dass der Glaube der Muslime nicht nur nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats steht, sondern eigene Gründe für diese Prinzipien liefert. Idriz geht sogar so weit, die „Sicherheit der Menschen und des Landes“ als „islamischen Wert“ auszuweisen, also den Verfassungsschutz buchstäblich aus dem Koran herzuleiten. „Wenn eine offenkundige Gefahr vorhanden ist, so ist es ein Gebot unserer Religion, mit den staatlichen Institutionen zu kooperieren.“

Hermeneutik des Verdachts

Erklärt sich die Vorsicht, mit der die Behörde diese Lehren aufgenommen wissen möchte, daraus, dass sich im Schriftenverzeichnis des Imams ältere Publikationen finden, in denen er das Gegenteil vertrat und Doktrinen extremistischer Organisationen propagierte? Oder ist dokumentiert, dass die Praxis der islamischen Unterweisung in seiner Moschee im Widerspruch zu den staatsfrommen Bekundungen steht? Nichts davon ist der Fall. Die Ortspolitiker und Pfarrer in Penzberg verbürgen sich für den Imam, dessen Plan, in München ein Zentrum für Imamausbildung zu gründen, auch in der Münchner CSU entschiedene Fürsprecher hat.

Als Indizien für Extremismus führt der Verfassungsschutz die frühere Mitgliedschaft leitender Gemeindeangehöriger in der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs an sowie ein Telefongespräch, in dem Ibrahim El-Zayat, die graue Eminenz des politischen Islam in Deutschland, dem Imam dessen Distanzierung von Milli Görüs zum Vorwurf machte. Die Gemeinde sei ein Beispiel für „formal nach außen hin vollzogene Distanzierungsbemühungen“, steht im Verfassungsschutzbericht für 2008. Außer Formalien hat die Behörde aber gar keine Belege für ihre Darstellung vorzuweisen. In der Affäre um Imam Idriz begegnet uns die Hermeneutik des Verdachts, die von der deutschen Auseinandersetzung mit dem Islam Besitz ergriffen hat, in der gefährlichsten Variante: der des amtlichen Handelns.

Der aus Mazedonien stammende Imam beruft sich auf bosnische Theologen, die schon unter österreichischer Herrschaft den Anschluss des Islam an die europäische Zivilisation herstellen wollten und auf die Nachhilfe einer energisch modernisierenden Obrigkeit setzten. Zustimmend zitiert Idriz einen solchen „Reformator“, der den k. u. k. Behörden fehlgeleitete Rücksicht auf die Religion vorhielt: „Sie hätten uns zwingen sollen, unsere Kinder in die Schulen zu geben, sie hätten uns zwingen sollen, den Frauen einen anderen Status in der Familie und Gesellschaft zu geben, wie ihn die neue Zeit verlangte.“

Bekehrung zum Grundgesetz

Die Offenheit für die Forderungen veränderter Zeiten möchte Idriz als den Grundgedanken der Gestaltung innerweltlicher Verhältnisse nach den Maßgaben des Propheten erweisen, als das Wesen der Scharia, des islamischen Rechts. Er unterscheidet „zwei Formen des Islam“, den wahren und einen nach dem Tod des Propheten verfälschten. Muslimische Herrscher hätten den Islam politisch instrumentalisiert und auch jenseits der Sphäre der Glaubenswahrheiten dogmatisiert. Der apologetische Zweck dieser Geschichtskonstruktion liegt auf der Hand. Aber wer von den Muslimen eine Reformation verlangt, sollte sich daran erinnern, dass auch die christlichen Reformatoren der Glaube beseelte, die Urkirche wiederherstellen zu können. Entscheidend ist, dass Idriz eine theologische Kritik des Syndroms der politischen und geistigen Starrheit fordert, für die der Anspruch des Korans, die letzte Offenbarung zu sein, als Rechtfertigung herhalten musste.

Dass nach traditioneller Lehre ein Muslim das Glaubensbekenntnis nicht widerrufen darf, ist eine mit den modernen Menschenrechten nicht zu vereinbarende Konsequenz des islamischen Universalismus, des schönen Gedankens, dass jeder Mensch als Muslim geboren wird und durch Sprechen der Bekenntnisformel in die Urgemeinschaft der Menschheit heimkehrt. Im Fall Penzberg agiert der Verfassungsschutz als Inquisition, die sich ihre Ketzer erfindet. Warum soll sich irgendein Muslim zum Grundgesetz bekehren, wenn man Benjamin Idriz sein Bekenntnis nicht abnehmen will?

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.03.2011

Theologische Baustelle

Auf dem Fundament des Islam errichtet der Imam Benjamin Idriz das Gebäude der Demokratie

Von Lamya Kaddor
Die hier rezensierende Islamwissenschaftlerin und Religionspädagogin Lamya Kaddor begrüßt Benjamin Idriz‘ Buch „Grüß Gott, Herr Iman!“. Sie schätzt den Iman und Islamgelehrten für seine Integrität und seinen Mut. Schlüssig führt er ihres Erachtens vor Augen, dass Islam und Demokratie keinen Widerspruch darstellen. Zudem hebt sie hervor, dass Idriz konsequent die Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung von Mann und Frau postuliert. Auch in theologischer Hinsicht findet Kaddor die Ausführungen des Autors überzeugend. Ihr Fazit: ein verdienstvolles Buch, das die Bemühungen um eine „Weiterentwicklung des Islam“ voranbringt.

Benjamin Idriz ist eine umtriebige Persönlichkeit. Den meisten ist er als Imam der oberbayerischen Kleinstadt Penzberg bekannt, deren Moschee als Vorzeigemodell für das anspruchsvolle Zusammenwirken von Islam und moderner Architektur gilt. Der gebürtige Mazedonier steht auf der einen Seite unter Beschuss, weil ihm der bayerische Verfassungsschutz vorwirft, mit Islamisten in Kontakt zu stehen. Auf der anderen Seite stellt der 39-Jährige den Prototyp des integeren und gebildeten Theologen dar. Er vertritt einen Islam, der im besten Sinne zeitgemäß ist. Nun hat er ein Buch geschrieben: „Grüß Gott, Herr Imam“. Schon der Titel lässt anklingen: Im Grunde soll es sich um eine Manifestation des berühmten Satzes von Bundespräsident Christian Wulff handeln: „Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Vielleicht sollte man künftig statt nach Benjamin Idriz eher danach fragen, warum manche so ein großes Interesse daran haben, einem modernen Vertreter des Islam Steine in den Weg zu legen.

Eine unserer ersten Begegnungen hatten Benjamin Idriz und ich vor einiger Zeit am Bosporus. Ein heißer Sommertag neigte sich dem Ende. Wir standen im Garten der prachtvollen Sommerresidenz des deutschen Botschafters in Tarabya, dem noblen Vorort Istanbuls. Bei uns war ein ranghohes Mitglied der türkischen Religionsbehörde. Wir unterhielten uns auf Arabisch. Das Gespräch drehte sich um die Ausbildung von Imamen. Ich fragte den Mann mittleren Alters, ob in der Türkei auch Imaminnen arbeiteten. Er entgegnete, eine nennenswerte Zahl gebe es nicht, und schob hinterher: „Wozu auch? Gibt es nichts Wichtigeres als Frauen im Islam?“ Ich blickte Idriz an, dem ob der geschnalzten Antwort ebenfalls der Mund offen stand. Als er sich gefangen hatte, erhob er Einspruch. Und ich dachte: „Ein Imam, der offen Stellung bezieht. Respekt.“

Entsprechend gespannt war ich also auf sein Buch und speziell auf das Kapitel „Frauen im Islam“. Am theoretischen und praktischen Umgang mit diesem Thema scheiden sich die Geister unter muslimischen Theologen immer noch am deutlichsten. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Idriz knüpft nahtlos an seine Worte in Tarabya an.

Er postuliert nicht nur die Gleichwertigkeit von Mann und Frau, sondern die Gleichberechtigung und führt diesen Gedanken konsequent fort. Zwangsverheiratung brandmarkt der studierte Theologe als unislamisch – „es ist ein Rückfall in die heidnische Zeit“. Die umstrittene Stelle in Sure 4, Vers 34, die manche als Plazet für das Schlagen der Ehefrau nehmen, will er philologisch als „trennt euch von ihnen“ verstanden wissen. Die klassisch islamische Erbverteilung, die Söhnen mehr zugesteht als Frauen, verwirft Idriz als überholt. Und in der innerislamisch heiklen Kopftuchfrage konstatiert er mutig, dass es aus heutiger Sicht einen zeitgemäßen Schutz von Reizen zu gewährleisten gelte. Das heißt, die Frau hat sowohl die Freiheit, ihr Haar als Reiz zu verstehen und zu bedecken, als auch die Freiheit, ebendies nicht zu tun und ein Kopftuch abzulehnen.Entsprechend gespannt war ich also auf sein Buch und speziell auf das Kapitel „Frauen im Islam“. Am theoretischen und praktischen Umgang mit diesem Thema scheiden sich die Geister unter muslimischen Theologen immer noch am deutlichsten. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Idriz knüpft nahtlos an seine Worte in Tarabya an.

Er postuliert nicht nur die Gleichwertigkeit von Mann und Frau, sondern die Gleichberechtigung und führt diesen Gedanken konsequent fort. Zwangsverheiratung brandmarkt der studierte Theologe als unislamisch – „es ist ein Rückfall in die heidnische Zeit“. Die umstrittene Stelle in Sure 4, Vers 34, die manche als Plazet für das Schlagen der Ehefrau nehmen, will er philologisch als „trennt euch von ihnen“ verstanden wissen. Die klassisch islamische Erbverteilung, die Söhnen mehr zugesteht als Frauen, verwirft Idriz als überholt. Und in der innerislamisch heiklen Kopftuchfrage konstatiert er mutig, dass es aus heutiger Sicht einen zeitgemäßen Schutz von Reizen zu gewährleisten gelte. Das heißt, die Frau hat sowohl die Freiheit, ihr Haar als Reiz zu verstehen und zu bedecken, als auch die Freiheit, ebendies nicht zu tun und ein Kopftuch abzulehnen.

Das Wesen der Scharia liegt in ihrer Auslegung

Mit all dem spricht der Korankenner freilich nichts an, was islamische Theologinnen nicht schon längst gesagt hätten. Bemerkenswert ist seine Darlegung, weil er als einer der wenigen männlichen Islamgelehrten in Deutschland in dieser Frage unmissverständlich Stellung bezieht. Zudem sind seine Aussagen theologisch geerdet: Er bezieht sich auf den Koran, blickt auf die Hadithe und arbeitet sich an den Argumentationslinien der klassischen Gelehrten entlang. Mag er gelegentlich Belege schuldig bleiben, so unterscheidet ihn das doch deutlich von anderen modernen Ausdeutern des Islam.

Das Frauen-Kapitel ist eines der letzten und bildet so etwas wie den Höhepunkt. Es zeigt am eindrücklichsten, wie Idriz als praktischer Theologe vorgeht und wie er seine Hauptthese begründet: dass Islam und Demokratie vereinbar seien. Nach einigen grundlegenden Ausführungen zu Theologie, Scharia, Politik und die aktuelle Situation des Islam in Deutschland kommt der Penzberger zu dem Schluss, dass diese Kompatibilität geradezu eine Selbstverständlichkeit sei – was vor allem daran liegt, dass die Scharia eben ein Ergebnis von Interpretationen ist.

So wie die Rolle der Frau vor dem gesellschaftlichen Hintergrund der jeweiligen Epoche zu betrachten ist, seien es auch die anderen „Baustellen der islamischen Theologie“. Die Sprache des Islam „hat vernunftbetont, menschenzentriert und zeitgemäß zu sein“, verlangt der deutsche Imam. Festgefahrene Dogmen müssten sich ändern, wolle man nicht in einer „Sackgasse“ landen. Dazu gehört seiner Meinung nach auch die Umwandlung der zumeist vertikalen Verhältnisse – Gott-Mensch, Text-Vernunft, Jenseits-Diesseits, Religion-Staat – in horizontale. Auf dem Weg zu seinem Ziel durchschreitet er das Tor des Idschtihad, um jene Metapher zu benutzen, mit der das aus Sicht orthodoxer Sunniten vor Jahrhunderten eingeführte Verbot eigenständiger Auslegung islamischer Quellen beschrieben wird. Seine Vorgehensweise ist weitgehend schlüssig und wirkt authentisch.

Idriz’ Buch ist ein Bekenntnis, auf das man ihn festnageln kann

Selbstverständlich muss man Idriz’ Buch auch als Antwort auf seine Kritiker verstehen. Aber was auch immer über ihn und seine Vergangenheit kolportiert wird – das Buch ist ein Bekenntnis, auf das man ihn festnageln kann. Benjamin Idriz hat dem immer stärker werdenden Bemühen um eine Weiterentwicklung des Islam einen großen Dienst erwiesen. Von einigen Seiten wird ihm vorgehalten, „seine“ Religionsauffassung stelle bloß eine exotische Minderheitenmeinung dar. Für das Spektrum der zeitgenössischen Theologen mag das zutreffen. Im gelebten Glauben der meisten Muslime hingegen ist seine Vorstellung von Religion zu großen Teilen längst Realität. Und auch die jüngsten Versuche, ihm aus Bezügen zu Theologen wie dem Bosnier Husein Djozo, der in der Handschar-Division der Waffen-SS gedient hat, einen Strick zu drehen, scheinen konstruiert. So hat denn auch das MagazinFocus, das den Eindruck einer geistigen Verbundenheit erweckt hatte, sich mittlerweile öffentlich bei ihm entschuldigt. Vielleicht sollte man künftig statt nach Benjamin Idriz eher danach fragen, warum manche so ein großes Interesse daran haben, einem modernen Vertreter des Islam Steine in den Weg zu legen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr. 36, Montag, 14.02.2011, Seite 18

Von Reinhard Kirste

Mit seinem interreligiösen Engagement und dem Bau der Moschee in Penzberg (Oberbayern) ist der dortige Imam Benjamin Idriz bekannt geworden. Die durch die modernen Glasfassaden sich nach außen öffnende Moschee ist dieser Bau zu einem gelungen Symbol der Integration geworden und passt genau auf den Untertitel des hier vorgestellten Buches:Eine Religion ist angekommen. Dieses Buch ist deswegen so aufregend, weil ein von Hause aus europäischer Muslim (aus Mazedonien) eigene Vorstellungen entwickelt und nicht auf Interessen des einen oder anderen islamischen Verbandes Rücksicht nehmen muss. Nicht umsonst spricht man vom Penzberger Modell, das für viele Moscheegemeinden als Vorbild dienen kann. Idriz versucht nun beides: Islamisch-theologische Begründung und praktische Realisierung des Glaubens auf der Basis rechtsstaatlichen Denkens. Nicht ein assimilierter Euro-Islam à la Bassam Tibi ist seine Vision, sondern eine aktualisierende Entwicklung für eine in Europa mit den anderen Glaubensanschauungen gleichgestellte Religion.

Und der bosnische Islam ist von jeher das Beispiel eines europäisch geprägten Islam gewesen (S. 41ff) In dieser Weise mutet schon die Frage seltsam an, ob der Islam integrierbar sei (S. 13ff). Zusammen mit Stephan Leimgruber / Stefan Jakob Wimmer hatte Idriz sich schon zuvor für einen:„Islam mit europäischem Gesicht“ ausgesprochen. (Kevelaer: Butzon & Bercker 2010) Die in dieser Gemeinschaftsarbeit entwickeltenPerspektiven und Impulse führt der Imam hier weiter. Kein Wunder, dass ihm von dogmatisch Engstirnigen auf islamischer Seite auch Feindschaft entgegenschlägt. Aber nicht nur von dort: Durch die Offenheit von Idriz, auch mit dem Konservativsten zu reden, ohne seine eigene Haltung zu verbiegen, hat ihm der bayerische Verfassungsschutz und der zuständige Innenminister vorgeworfen, er würde mit verfassungsfeindlichen Kräften gemeinsame Sache machen. Glücklicherweise stehen der Münchner Oberbürgermeister, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, die Justizministerin in Berlin und andere prominente Politiker aller Parteien hinter ihm.

Als aufgeklärter Muslim nimmt Idriz den Koran für privates und gesellschaftliches Verhalten ernst, weist aber nach, dass die Einmischung der Religion in den Staat nicht nur zu Diktatur führt, sondern dass dann die Rechtsprechung politischen Interessen angepasst wir. Das muss man als Rückfall ins Mittelalter ansehen, wenn es z.B. um die Rechtfertigung von Zwangsheiraten, Auspeitschung, Steinigung, Hand abhacken geht und brutale Strafen mit der Scharia islamisch abgesegnet werden sollen. Idriz hat auch eine Reihe von praktischen Vorschlägen, wie die Konfliktfelder entschärft werden können. Dazu gehört besonders eine eigenständige islamische Theologie in Deutschland, die sich auf vier Fundamente stützen kann, die zu den Grundpfeilern islamischer Theologie immer schon gehörten. Theologie kann nicht vertikal von oben nach unten, sondern muss „Augenhöhe“, also horizontal betrieben werden: Das gilt, weil Gott auf der Ebene des Menschen begegnet (Sure 97), das gilt zwischen geoffenbartem Text und Vernunft, für Diesseits und Jenseits und natürlich zwischen Religion und Staat. Idriz scheut dabei nicht das klare Wort. Das machen besonders die Abschnitte über „Islam und Politik“ (S. 97ff), „Scharia und Grundgesetz“ (S. 114ff), Frauen im Islam“ (S. 131ff) deutlich.

Das Buch endet im Grunde mit der Betonung der gemeinsamen Werte von Islam und Christentum, die auf der Schöpfung Gottes und der Verantwortung des Menschen beruhen, wie sich das bei ähnlich lautenden Geboten in Bibel und Koran widerspiegelt. Darum weist er auch deutlich zurück, dass er im Sinne von Taqiyya ( =Verstellung) etwas Falsches vorspiegele, wie dies immer wieder prominente Islamkritiker (oft mit muslimischen Hintergrund) unterstellen. Er zitiert zustimmend den berühmten pakistanischen Dichter-Philosophen Muhammad Iqbal (1877-1938), der die Verbindungsmöglichkeiten der östlichen Sprache der Liebe mit der westlichen Sprache des Verstandes betont: „Es ist die Fähigkeit zu horchen: auf die sich von Osten erhebende Stimme des Verstandes, der Liebe, der Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und des Glaubens und auf die sich im Westen erhebende Stimme des Verstandes, der Freiheit, Gleichheit, Liebe, Demokratie und des Rechts“ (S. 176). Der lässt sich nicht beirren, wenn er unter Berufung auf den Koran als islamische Werte festhält: Die Gesetze des Landes sind zu befolgen und in dieser Weise ist Menschenwürde zu achten, gilt sie doch zugleich als koranische Pflicht (vgl. Sure 17,70/2,30/14,32/5,32). Ebenso islamisch ist, die Freiheit zu verteidigen und sich für den Pluralismus einzusetzen, die Sicherheit und den Frieden der Menschen in der Gesellschaft und des Landes zu schützen, aktive Toleranz zu üben und für Gerechtigkeit einzustehen. Als islamischer Wert und gleichzeitig als Grundlage gilt die Geschwisterlichkeit aller Menschen und Gleichheit der Geschlechter, wiederum belegt mit einer Reihe klarstellender Aussprüche im Koran. Den Glauben und die Religion(en) in dieser Weise zu bewahren, verbindet letztlich alle aufgeschlossenen religiösen Traditionen. Dass dazu auch der Verstand als Richtschnur des Handelns einzusetzen ist, haben islamische Theologen, besonders die rationalistisch geprägten Mu’taziliten immer wieder betont. Das Tor der Koranauslegung (idjtihad) kann darum niemals geschlossen werden. Dass Idriz von daher den interreligiösen Dialog nicht nur als pragmatische Notwendigkeit, sondern als islamischen Wert ansieht, kann schließlich nicht mehr verwundern. Gewissermaßen als persönlichen Beleg fügt er am Schluss eine Botschaft im Sinne eines Gebets zum 60. Jahrestag der Bundesrepublik Deutschland hinzu (S. 219ff).

Wer sich so deutlich für Freiheit und Demokratie aus islamischer Überzeugung heraus positioniert, dem sollte man nicht immer wieder Steine in den Weg legen und erneutes Misstrauen schüren. Denn mit Muslimen wie Benjamin Idriz, lässt sich Staat machen wohlgemerkt, demokratisch, vernünftig und Glaubens offen! Das Buch endet im Grunde mit der Betonung der gemeinsamen Werte von Islam und Christentum, die auf der Schöpfung Gottes und der Verantwortung des Menschen beruhen, wie sich das bei ähnlich lautenden Geboten in Bibel und Koran widerspiegelt. Darum weist er auch deutlich zurück, dass er im Sinne von Taqiyya ( =Verstellung) etwas Falsches vorspiegele, wie dies immer wieder prominente Islamkritiker (oft mit muslimischen Hintergrund) unterstellen. Er zitiert zustimmend den berühmten pakistanischen Dichter-Philosophen Muhammad Iqbal (1877-1938), der die Verbindungsmöglichkeiten der östlichen Sprache der Liebe mit der westlichen Sprache des Verstandes betont: „Es ist die Fähigkeit zu horchen: auf die sich von Osten erhebende Stimme des Verstandes, der Liebe, der Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und des Glaubens und auf die sich im Westen erhebende Stimme des Verstandes, der Freiheit, Gleichheit, Liebe, Demokratie und des Rechts“ (S. 176). Der lässt sich nicht beirren, wenn er unter Berufung auf den Koran als islamische Werte festhält: Die Gesetze des Landes sind zu befolgen und in dieser Weise ist Menschenwürde zu achten, gilt sie doch zugleich als koranische Pflicht (vgl. Sure 17,70/2,30/14,32/5,32). Ebenso islamisch ist, die Freiheit zu verteidigen und sich für den Pluralismus einzusetzen, die Sicherheit und den Frieden der Menschen in der Gesellschaft und des Landes zu schützen, aktive Toleranz zu üben und für Gerechtigkeit einzustehen. Als islamischer Wert und gleichzeitig als Grundlage gilt die Geschwisterlichkeit aller Menschen und Gleichheit der Geschlechter, wiederum belegt mit einer Reihe klarstellender Aussprüche im Koran. Den Glauben und die Religion(en) in dieser Weise zu bewahren, verbindet letztlich alle aufgeschlossenen religiösen Traditionen. Dass dazu auch der Verstand als Richtschnur des Handelns einzusetzen ist, haben islamische Theologen, besonders die rationalistisch geprägten Mu’taziliten immer wieder betont. Das Tor der Koranauslegung (idjtihad) kann darum niemals geschlossen werden. Dass Idriz von daher den interreligiösen Dialog nicht nur als pragmatische Notwendigkeit, sondern als islamischen Wert ansieht, kann schließlich nicht mehr verwundern. Gewissermaßen als persönlichen Beleg fügt er am Schluss eine Botschaft im Sinne eines Gebets zum 60. Jahrestag der Bundesrepublik Deutschland hinzu (S. 219ff).

Wer sich so deutlich für Freiheit und Demokratie aus islamischer Überzeugung heraus positioniert, dem sollte man nicht immer wieder Steine in den Weg legen und erneutes Misstrauen schüren. Denn mit Muslimen wie Benjamin Idriz, lässt sich Staat machen wohlgemerkt, demokratisch, vernünftig und Glaubens offen!

Von Ralph Deja

Der Imam Benjamin Idriz von Penzberg hat ein höchst wichtiges Buch geschrieben. Ist es ein Zufall, dass es so kurz nach dem roten Buch von Thilo S. erschienen ist? Es kommt mir wie die richtige Antwort darauf vor. Dabei kommt er ohne Zahlenhuberei und krude Schlussfolgerungen daher, dafür aber mit klaren und auch für Laien nachvollziehbaren Gedanken.

Nun ist dies nicht das erste deutsche Buch über den Islam, auch nicht das erste über den so genannten Euro-Islam. Was mich an diesem Buch so fasziniert, ist die Tatsache, dass hier ein in Deutschland lebender und in einer bayerischen Gemeinde amtierender Imam aus seiner konkreten Erfahrung heraus berichtet und all seine reformerischen Forderungen aus Koran und Sunna ableitet. Seine Gemeinde ist multi-ethnisch, er selbst stammt aus einer eurpäischen Familie mit einer langen Imam-Tradition. In Penzberg wird er von den Einheimischen wie selbstverständlich mit „Grüß Gott, Herr Imam!“ begrüßt. Ja, er und seine Gemeinde sind inzwischen selbst Einheimische. Daher der Untertitel: Eine Religion ist angekommen.

Das Buch richtet sich auf den ersten Blick an die Nicht-Muslime in unserem Land. Die bekommen auch reichlich Gelegenheit, mit allen möglichen Vorurteilen von der Unterdrückung der Frau bis zur Scharia aufzuräumen. Dabei leugnet Idriz nicht, dass es negative Erscheinungen und Fehlentwicklungen in muslimisch geprägten Ländern gab und gibt. Aber es gab auch so etwas wie eine islamische „Aufklärung“, nicht nur in Andalusien und auf dem Balkan. Mit Blick auf die trotz Buber, Ben-Chorin, Lapide, Homolka oder Much nach wie vor bestehenden falschen Vorstellungen vieler Christen über das Judentum bin ich aber skeptisch, ob sich bei der Einstellung der Menschen gegenüber dem Islam ein baldiger Wandel vollziehen wird.

Mindest genau so wichtig scheint mir das Buch von Idriz für die in Deutschland lebenden Muslime und ihre Imame selbst. Ich fürchte, dass viele von Ihnen seinen Reform-Islam als ketzerisch ansehen. Deshalb ist es so wichtig, dass er seine Thesen aus den islamischen Quellen und von anerkannten Authoritäten früherer Jahrhunderte bis in die Zeit des Propheten ableitet. Auch Christen haben ihren Widerstand gegen die Aufklärung erst aufgegeben, als die Menschenrechte einschließlich der Religionsfreiheit biblisch begründet wurden. Ein so in die Moderne fortentwickelter Islam im Einklang mit unserem Grundgesetz könnte auch eine positive weltweite Ausstrahlung in die gesamte muslimische Welt haben.

Das Buch ist eine hervorragende Lektüre für alle Menschen, die sich im kritischen aber friedlichen Dialog der Kulturen und Religionen engagieren. Und erst recht für diejenigen, die keine Angst haben, ihre Vorurteile zu überprüfen. In diesem Zusammenhang denke ich auch an das Buch „Muslimisch, weiblich, deutsch“ von Lamya Kaddor. Ich empfehle das Buch von Idriz auch für den Religionsunterricht in Schulen. Speziell die 15 Kapitel über die „Gemeinsamen Werte“ zum Ende des Buchs eignen sich hervorragend, abschnittweise und gemeinsam von christlichen und muslimischen Schülern bearbeitet zu werden. Dadurch werden sich weder Deutschland noch das Christentum abschaffen, aber beide womöglich reicher werden.

Von Christian Döring

Benjamin Idriz ist Imam in Bayern und was viel wichtiger ist, er ist einer dieser Vorzeigeimame. Einer von den wenigen, die sich und ihre Gemeinden zur Integration ermuntern. Wohlgemerkt zur Integration, nicht zur Aufgabe eigener Traditionen.

Viele Themen die gerade in unserer Gesellschaft oft heftigst diskutiert werden greift der Imam auf. So zum Beispiel im Kapitel „Die Scharia und das Grundgesetz“. Der Autor schreibt über die Entstehung der Scharia, über die zahlreichen Veränderungen, die die Scharia im Verlaufe der Jahrhunderte erfahren hat und er sagt deutlich: Die Scharia ist für ihn kein festes nicht veränderliches Rechtswerk. Für mich ist dies neu. Bei vielen anderen islamischen Rechtsgelehrten wird der Autor auf energischen Widerstand stoßen.

Auch bei vielen anderen Stellen im Buch geht es mir ähnlich, ich bin durchaus der Meinung des Autors, mir ist jedoch klar, dass er nur für einen sehr geringen Teil der islamischen Welt spricht.

Es ist gut, dass Leute wie Benjamin Idriz in Deutschland die Möglichkeit haben ein Buch zu veröffentlichen, leider erfahre ich von ihm nicht viel davon, wie er mit radikalen islamischen Kräften umgeht. Mit Sätzen wie diesem: “ Für einige mögen solche Werte umstritten sein, doch muss für uns alle, Muslime und Nicht – Muslime, unbestritten gelten: Das demokratische und pluralistische System in der Bundesrepublik Deutschlan schafft sich nicht ab und wird sich nie abschaffen!“ Nach Sarrazin liest sich dies zwar gut, aber vielen Lesern wird damit die Angst nicht genommen.

Wie gesagt, dies ist wichtig, zum einen als Informationsquelle, zum anderen wird gut sichtbar, dass es eine Vielzahl von Kräften im Islam gibt, von denen wir bislang nicht viel wussten. Kommunikation ist sicher ein guter Anfang um Informationslücken zu schließen – auf beiden Seiten.

Von Detlef Rüsch

Die Ausführungen des Penzberger Imam Benjamin Idriz lesen sich oberflächlich gesehen sehr leicht und vermitteln ein tolerantes Gefühl. Von daher habe ich mich zu einer ausführlicheren Rezension entschieden.
Der Autor umschreibt mit einer Vielzahl von Koranversen den sogenannten „Euro- Islam“ und führt aus, dass alle Punkte, die von Kritikern/-innen gegenüber Inhalten bzw. Ausführungen des muslimischen Glaubens genannt werden, eigentlich dem Islam widersprechen. So predigt er quasi einen toleranten, frauen- und emazipationsfreundlichen und friedfertigen Islam und verdeutlicht, dass eine Imam-Ausbildung in Deutschland unerlässlich sei. Bei näherer Betrachtung zeigen sich Unklarheiten in dem Buch. So führt Idriz schon im Vorwort aus, dass der islamische Allah „nur die wunderbar wohlklingende, arabische Vokabel für denselben, weil einzigen Schöpfer und Herrn der Welt“ (S.7) sei. Hier wird die Dreieinigkeit des christlichen Gottesverständnisses übergangen. Jesus ist für Christen Gott, während er für Muslime ein Prophet ist. Während Jesus das „Wort Gottes“ ist, ist es für Muslime der Koran. Hier wäre eine differenzierte Darstellung besser gewesen, als eine Verwässerung. So äußert Idriz auch, dass auf dem Buchmarkt „nur wenige…seriöse Lösungsvorschläge“ einbringen und die „islamfeindliche Agitation zunehme (S. 10). Hierfür nennt er jedoch keinerlei Belege oder Beispiele. Überhaupt spricht Idriz immer wieder von „dem Islam“ und kommt erst auf Seite 74 zu den Strömungen „Sunniten und Schiiten“. Dass es beispielsweise auch Aleviten und weitere Strömungen innerhalb des Islam gibt, wird überhaupt nicht erwähnt. Hier wäre es gut gewesen, den Islam differenzierter darzustellen. Überhaupt wird man in dem Buch häufiger Thesen erfahren, die weder belegt noch differenziert argumentativ überzeugend sind. So bezeichnet der Autor es als „soziopolitisch bedingt“ (S. 48), wenn Frauen Kopftücher tragen.

Die Koranverse, die vom Krieg handeln, seien historisch bedingt. Und da in der EU und der NATO keine Kriegssituation herrsche, fänden diese Verse auch keinen Eingang in die islamische Predigt und die „Erwähnung dieser Koranverse (sei) unnötig und verunsichernd“ (S. 50). Der Begriff der „Scharia“ käme im Koran nur einmal vor, werde aber „von allen verwendet, die den Islam anprangern und Ängste in der Öffentlichkeit schüren wollen“ (S.114) Hier wird eine aggressive Wortwahl verwendet, die einem Sachbuch nicht angemessen ist, ebenso wie auch Necla Kelek nicht als Kritikerin dargestellt, sondern als „dem Islam feindlich“ gegenüberstehend (S. 171) bezeichnet wird. Andererseits gibt sich der Autor milde, wenn die Erwartung eines Mannes an seine Frau für „eine vollständige Körperbedeckung“ nur als „recht bedenklich“ (S. 156) bezeichnet wird. Dennoch sollten „die Geschäfte für Musliminnen Kleidung anbieten, die in unserer Gesellschaft eher tolerierbar wären“ (S. 162). Das Verbot des Tragens der Burka bezeichnet Idriz als „Attacke“ (S.163). Hier fragt man sich immer wieder, wie tolerant und demokratisch der Penzberger Imam tatsächlich ist, wenn er zu solchen Formulierungen greift. Er schlägt gar vor, dass „die Arbeitgeber die Arbeitszeiten für die arbeitenden Muslime zugunsten der Freitagsgebete anders regeln“ könnten (S. 34); wobei eigentlich muslimische Freitagsgebete und christliche Gottesdienste nicht direkt miteinander verglichen werden können.

Und ein paar Seiten weiter heißt es „Ähnlich wie die großen Kaufhäuser rund um Weihnachten ihren christlichen Kunden attraktive Produkte anbieten, können sie im Monat Ramadan auch ihren muslimischen Kunden besondere Angebote machen.“ (S 38) Im Gesamten gibt der Autor diverse Aspekte und Auslegungshinweise bezüglich des Korans wieder und versucht, ein einheitliches Bild des Islam darzustellen. Und sicherlich gibt es diese Möglichkeit der Darstellung. Meines Erachtens fehlt eine klare Positionierung zu unterschiedlichen Strömungen im muslimischen Glauben, welche bezüglich Gewalt, Demokratie, Frauenrechte und vieles mehr ein ganz anderes Bild zeichnen. Es fehlt zugleich auch ein Sachregister und ein Verzeichnis verwendeter Koranverse sowie ein Literaturverzeichnis. Verwunderlich dürfte man auch bei den Sätzen: „Wenn ich das deutsche Grundgesetz lese, so finde ich nicht die kleinste Spur eines Verstoßes der soeben erwähnten islamischen Werte. Daher ist das deutsche Grundgesetz islamkonform. Insofern greift, wer den Islam angreift, auch das Grundgesetz an und wer sich gegen das Grundgesetz positioniert, stellt sich auch gegen den Islam“(S. 217) Hier werden Parallelen hergestellt, die keine sind. Man kann nicht eine Verfassung mit einer Religion vergleichen.

Von einem Buch, das den Untertitel „Eine Religion ist angekommen“ trägt, hätte ich mir mehr Klarheit gewünscht. Und wenn der Imam explizit auch im Buch den Verfassungsschutz anspricht, wäre es gut gewesen, seine persönliche Biographie deutlicher darzustellen und beispielsweise sein Verhältnis zu muslimischen Gruppierungen klarer herauszustellen.

Vielleicht wäre ein guter Fortsetzungsband eher ein Dialog zwischen Vertretern/-innen unterschiedlicher Religionen. Im Gesamten aber fördert dieses Buch den kritischen Austausch untereinander. Es sollte auch so behandelt werden und nicht ohne kritische Prüfung per se in allen Punkten als gelungen bezeichnet werden. Denn Toleranz ist nicht Beliebigkeit, sondern kritische Kenntnis des Gegenübers!

Von Murad Wilfried Hofmann

Idriz (38), mazedonischer Vorkämpfer eines „Euro-Islam“ und „Zentrum für Islam in Europa“ (ausgerechnet) in München, ist der bekannteste Imam Deutschlands, und das in Deutschlands schönster Moschee in Penzberg. Zumal er wohl den Vorsitz eines „deutschen Fatwa-Rats“ anstrebt, ringt er um öffentliche Anerkennung, indem er (wie die sog. Ankara-Schule) Balast abwirft. Manches zu Recht wie die übliche Benachteiligung der Frau durch muslimische Machos, islamische politi-sche Parteien und Islam als Staatsreligion. Manches zu Unrecht wie die Scharia, die er auf ihre maqasid (Grundsätze) reduziert, wobei er die Sunna im wesentlichen als „historisch bedingt, flexibel und nicht univer-sell“ menschlichem Gewissen unterordnet. Dabei lobt er Reformer wie Rashid Ghannouchi, Alija Izetbegovic, Fazlur Rahman, Hasan al-Turabi und selbst Bassam Tibi, während er traditionellere Denker wie al-Mawar-di und Ibn Taymiya verwirft.

Als islamischer „Aufklärer“ unterscheidet Idriz leider nicht zwischen der qur`anischen, bindenden Scharia – von ihm abwertend „Dogmen des Korans“ genannt – und menschengemachtem, disponiblen Fiqh. Letztlich ist islamisches Recht für ihn dem Gewissen jedes einzelnen untergeordnet, zumal er bestimmte qur`anische Vorschriften für revisionsbedürftig hält: theologisch und juristisch eine Bankerotterklärung. So meint Idriz, auf das qur`anische Kriegsrecht „verzichten“ zu können, obwohl es der Hu-manisierung der Kriegsführung und dem Verbot von Angriffskriegen dient. Hinsichtlich Polygamie vernachlässigt er, daß Mehrehe (nur) Wai-senbetreuung dienen darf. Am bedenklichsten ist jedoch sein Streben, Theologie durch Anthropo-logie und das vertikale Gott-Mensch-Verhältnis durch ein horizontales, kooperatives auf gleicher Ebene zu ersetzen. Solche Thesen sind mit Islam unvereinbar. Dennoch, wie Idriz mit Bitterkeit festellt, nützt ihm sein biederer „Grüß Gott !“-Ansatz wenig. Gilt er doch dem bayrischen Innenministerium wei-terhin als zu radikal. Nur der Abfall vom Glauben verspricht wohl dessen Applaus. Das sollte Idriz wissen – und zurückrudern.

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