Freitagspredigt
Corona-Hutba
Corona-Hutba
Seit Wochen beschäftigt der Ausbruch des Coronavirus die Schlagzeilen und Gespräche. Ja, es sind keine einfachen Informationen und wir machen uns Sorgen um unsere Gesundheit und die unserer Nächsten. Für viele Menschen bedeutet das, dass man achtsamer ist als sonst. Leider zeigt der Umgang mit dem Coronavirus auch, wie bei einigen Mitmenschen der Kompass für besonnenes und rücksichtsvolles Verhalten aus dem Ruder laufen kann.
Seit einigen Tagen führen Apotheken keine Desinfektionsmittel mehr, da sie von einigen Mitmenschen in großen Mengen weg gekauft wurden. Selbst Krankenhäuser beklagen vermehrt Diebstähle von Desinfektionsmittel, die eigentlich für die Kranken und das Pflegepersonal dringend benötigt werden. Man fragt sich in welcher Zivilisation wir eigentlich leben, in der einem selbst die Kranken und Schwachen egal sind, nur um egoistisch das eigene Sicherheitsbedürfnis zu stillen. Doch was sagt letztlich der Islam, zu Krankheiten, Gesundheit?
Die Gesundheit wird dem islamischen Glauben nach als ein dem Menschen anvertrautes Gut verstanden. Da der Mensch nicht der wahre Eigentümer seines Körpers, sondern nur dessen Besitzer im Diesseits ist, verpflichtet der islamische Glaube den Menschen zu einem entsprechenden Umgang mit seinem Körper. Somit ist es eine islamische Pflicht, entsprechende hygienische Maßnahmen zu treffen oder sich den erforderlichen medizinischen Maßnahmen zur Bewahrung bzw. Wiederherstellung der Gesundheit zu unterziehen.
Unser Prophet Muhammad (saw) rät uns „Wertschätzt eure Gesundheit, noch bevor ihr krank werdet.“ In einem anderen Hadîth heißt es diesbezüglich: „Ein kräftiger Gläubige ist besser als ein schwacher.“ Folglich soll der Muslime also auf seine körperliche und geistige Gesundheit achten.
Es ist notwendig, gegen etwaige Krankheiten vorzubeugen. Hierzu gehören die einfachsten Dinge wie Körperhygiene, saubere Kleidung und Umgebung, gesunde Ernährung und ausreichende Erholung. Die wichtigste Vorbeugung gegen Krankheiten ist es sicherlich, dass alles, womit wir in Kontakt kommen – angefangen vom Essen bis zur Wohnung – sauber ist. Unsere Religion (Dîn) legt großen Wert auf Hygiene und sieht Sauberkeit sogar als Erfordernis des Glaubens (İmân) an.
In einem Prophetenausspruch wird die Reinheit zum zentralen Begriff des islamischen Glaubens erklärt: „Die Reinheit macht die Hälfte des [islamischen] Glaubens aus.“ Weitere koranische Angaben und die Praxis des Propheten Muhammad sorgen dafür, dass hygienische Maßnahmen ein untrennbarer Teil der muslimischen Glaubenspraxis werden. Die Verrichtung eines Pflichtgebets, welches als Entfaltung der muslimischen Identität verstanden wird, setzt bestimmte rituelle Waschungen voraus.
Im Alltag eines Muslims werden zwei Arten von rituellen Waschungen unterschieden: Die Ganz- und die Teilkörperwaschung. Die Ganzkörperwaschung (arab. Ghusl) umfasst die Reinigung des gesamten Körpers durch ein Vollbad. Sie wird nach der Menstruation, dem Wochenbett, dem Geschlechtsverkehr, dem Samenerguss im Schlaf oder oft vor dem Freitagsgebet und nach Bedarf durchgeführt. Bei der rituellen Teilkörperwaschung (arab. Wudu, türk. Abdest), die vor einem Pflichtgebet stattfindet, werden Hände, Mund- und Nasenhöhlen, Gesicht, Arme bis über die Ellenbogen sowie Füße bis über die Knöchel unter fließendem Wasser gewaschen. Das Waschen der Hände vor und nach dem Essen gehört ebenfalls zur Sunna des Propheten. Das Schneiden der Nägel, das Rasieren der Achselhöhlen und der Schamhaare gehört ebenso zur Grundhygiene eines Muslims. Einen unverkennbaren Wert erlangt in den Prophetenaussprüchen auch die Mundhygiene, so dass der Prophet sie beinahe als eine religiöse Vorschrift erklärte: „Wäre es keine Härte für die Gemeinschaft der Muslime (Umma) gewesen, hätte ich ihnen zur [religiösen] Pflicht gemacht, dass sie den Siwâk (Zahnbürste) vor jedem Gebet benutzen.“
Wenn wir diese Hadîthe im Licht der aktuellen Lage betrachten, kommen wir nicht umhin, die erforderlichen Maßnahmen angesichts der Grippeinfektion zu ergreifen. Dazu gehört es, mehr als sonst auf Hygiene zu achten. An oberster Stelle dieser Maßnahmen, steht die Empfehlung, sich oft die Hände zu waschen. Es ist auch nicht immer erforderlich, sich zur Begrüßung und Verabschiedung die Hand zu geben oder zu Umarmen, obwohl dies zur Sunna des Propheten gehört und unter normalen Umständen verdienstvoll ist. Wenn jemand krank ist, soll lieber zu Hause bleiben und dort die Gebete verrichten.
„Allah hat keine Krankheit herabkommen lassen, ohne dass Er für sie zugleich ein Heilmittel herabkommen ließ.“ Dieser Hadith soll uns die Hoffnung geben, auf Allah zu vertrauen, der den Menschen die Möglichkeit gegeben hat, nach Heilung und Schutz vor Krankheiten zu forschen. Die Medizin und die Wissenschaft erklären seit Wochen, wie man sich am besten vor dem Virus schützen kann. Sie suchen auch nach einem Impfstoff. Bleiben wir also achtsam und gelassen. Uns und unseren Mitmenschen gegenüber.