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Pressemitteilung zum „Kölner Beschneidungsurteil“

14. Mai 2014 | Pressemitteilungen

Religiöse Gebote und kulturelle (Miss)-Bräuche nicht vermischen!

Die Beschneidung von Knaben ist für Muslime und auch für Juden Teil ihres religiösen Verständnisses. Es handelt sich um einen seit Jahrtausenden für einen großen Teil der Menschheit ebenso selbstverständlichen wie unverzichtbaren Ritus. Selbst ohne religiösen Hintergrund ist beispielsweise in den USA die Beschneidung von (christlichen oder religionslosen) Jungen allgemein verbreitet.

Vor diesem Hintergrund wirft die aktuelle Debatte die Frage auf, weshalb das Thema nun in Deutschland – als offenbar einzigem Land der Welt! –problematisiert wird. Wir sehen darin ein erschreckendes Symptom für die voranschreitende Entfremdung von Teilen der Gesellschaft, und mancher ihrer Entscheidungsträger, von Religion generell. Das Urteil hat die Argumentation eines einzelnen Mediziners vollumfänglich übernommen, die religiös begründete Sichtweise der Betroffenen selbst aber weitgehend ignoriert. Die Konsequenz aus dem Urteil wäre, falls nicht dringend entsprechende gesetzliche Klarstellungen erfolgen, dass mindestens zwei Weltreligionen in Deutschland die Lebensgrundlage entzogen würde. Damit steht die Entscheidung außerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung in unserem Land, die der Religion, bzw. den Religionen, ihren Platz in Freiheit und Achtung einräumt. Für die deutsche Rechts- und Gesellschaftsordnung ist ein harmonisches und konstruktives Verhältnis von Staat und Religion(en) geradezu konstitutiv, welches wir gemeinsam mit der großen Mehrheit der Deutschen schätzen und schützen möchten. Eine drohende Konsequenz aus dem Urteil wäre, wenn Beschneidungen nicht mehr unter den medizinisch gebotenen Bedingungen in Krankenhäusern vorgenommen werden dürften, dass Betroffene gezwungenermaßen auf andere Wege ausweichen würden. Traditionell werden in manchen Ländern Beschneidungen etwa von nicht medizinisch ausgebildeten Personen vorgenommen – eine Praxis, die u.U. eine gesundheitliche Gefährdung für die Kinder mit sich bringt. Das Urteil leistet dieser Gefährdung Vorschub.
Völlig andersist die Frage der Beschneidung von Mädchen zu bewerten. Hier handelt es sich um eine schwerwiegende Form der Verstümmelung, die durch nichts zu rechtfertigen ist. Diese Praxis in manchen afrikanischen und angrenzenden Ländern ist ausschließlich auf kulturelle Traditionen zurückzuführen, die mit dem dort verbreiteten Bild von der Rolle der Frau in der Gesellschaft einhergehen.

Selbstverständlich wird dieses Verhalten vom Koran weder gerechtfertigt noch gar geboten. Islamische Rechtsgelehrte haben sich schon seit Jahrhunderten gegen diese Praxis gewandt. Die angesehene Al-Azhar-Institution in Kairo hat zuletzt 2006 in einer Fatwa (Rechtsgutachten) ein staatliches Verbot der Beschneidung von Mädchen gefordert und begründet, dass so ein Verbot aus islamischer Sicht nicht nur denkbar, sondern erwünscht ist. In Ägypten, der Türkei und anderen Ländern bestehen solche Verbote. Dass insbesondere in ländlichen Regionen mit extrem niedrigem Bildungsstand dennoch Vergehen gegen das Gebot vorkommen und von den Befürwortern der Praxis mit pseudo-religiösen Scheinargumentation untermauert werden, gehört zu den beklagenswerten Missständen, unter denen gerade Frauen immer noch zu leiden haben. Jeder Muslim und jede Muslima sind aufgerufen, zur Überwindung dieser Missstände beizutragen.

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