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Frau

Die Rolle der Frau im Islam

26. Mai 2014 | Frau

Von Nermina Idriz

Über den Islam wird viel berichtet. Manchmal auf eine gute Art und Weise, aber seit einiger Zeit, insbesondere seit dem 11. September, weckt der Begriff „Islam“ negative Assoziationen.

Unter anderem wird die Diskriminierung der Frau als typisch für den Islam dargestellt. Themen von Zeitungen mit hohen Auflagen sind beispielsweise die Zwangsverheiratung muslimischer Mädchen, die Verweigerung von Bildung und Arbeit oder Rachemorde zur Wiederherstellung der Ehre muslimischer Familien.

Was die Massenmedien präsentieren, prägt das hiesige Bild vom Islam. Nicht wenig Menschen bekommen den Eindruck, dies sei die Normalität der Frau in den islamischen Gesellschaften. In der Tat ist die Lage der Frau in vielen muslimischen Gesellschaften problematisch. Und zwar nicht nur im Lichte der westlichen Werte, sondern auch nach den Maßstäben des Islam selbst.

Mein Anliegen ist es heute, Ihnen einen Überblick über die Stellung der Frau im Islam zu geben. Ich möchte aufzeigen, daß die tatsächlich vorhandenen Mißstände nicht auf der Religion beruhen.

Die Koranische Offenbarung hat die Muslime vor 1424 Jahren dazu bewegt, die Stellung der Frau in der Gesellschaft zu überdenken. Der Islam bietet der Frau die absolute Gleichheit vor Gott und darüber hinaus eine Reihe von Rechten in der weltlichen Gesellschaft, die sich die Frauen im Westen erst vor einigen Jahrzehnten mühsam erkämpft haben.

Daß Mann und Frau in ihrer Wesenheit und ihrem Wert vor Gott gleich sind, sei mit einigen Qur’an-Zitaten belegt: „Oh ihr Menschen, fürchtet euren Herrn, Der euch aus einem einzigen Wesen erschaffen hat; aus diesem erschuf er ihm die Gefährtin, und aus beiden ließ er viele Männer und Frauen sich vermehren (..)“ (Sure 4:1) „Und ihr Herr antwortete ihnen: Ich lasse das Tun desjenigen unter euch, der Gutes tut, gewiss nicht verloren gehen, sei es Mann oder Frau. Die einen sind von den anderen.“ (Sure 3:195) „(..)Wer aber Gutes tut, sei es Mann oder Frau, und gläubig ist, diese werden ins Paradies eintreten.“(Sure 40:40) Alle religiösen Pflichten, wie Gebet, Fasten, Armensteuer, Pilgerfahrt, Gutes tun und Böses abwehren, sind der Frau ebenso vorgeschrieben wie dem Mann: „(..) die wahrhaftigen Männer und die wahrhaftigen Frauen, die standhaften Männer und die standhaften Frauen, die demütigen Männer und die demütigen Frauen, die Männer, die Almosen geben, und die Frauen, die Almosen geben, die Männer, die fasten, und die Frauen, die fasten, die Männer, die ihre Keuschheit wahren, und die Frauen, die ihre Keuschheit wahren, (..) Allah hat ihnen Vergebung und gewaltigen Lohn bereitet.“ (Sure 33:35). Aber auch in den meisten Rechten unterscheidet sich die Frau nicht vom Mann. Hier sollen nur einige genannt werden, die heute als Bedingung weiblicher Emanzipation gelten. Eines davon ist das Recht auf Eigentum und Erbschaft, das im europäischen Raum ja erst seit Beginn dieses Jahrhunderts ein Grundrecht der Frau ist. Die Frau kann frei über ihr Eigentum verfügen – freier sogar als der Mann, da sie keinerlei finanzielle Verpflichtungen gegenüber der Familie oder anderen Personen hat. Sie kann ihren Besitz ausgeben, vererben, verschenken oder in Geschäfte investieren, ohne dass Ehemann, Vater oder irgend jemand anderes Einfluss darauf nehmen könnte. Die einzige Einschränkung bildet die Besteuerung, der sie wie jeder Mann unterliegt.

Die muslimische Frau hat das Recht zu entscheiden, wann und wen sie heiratet. Ohne die Einwilligung der Frau darf eine Ehe nicht geschlossen werden und der Ehevertrag ist ungültig. Aus dem Leben des Propheten, Friede sei mit ihm, wird berichtet, daß ein Mädchen zu dem Propheten gekommen sei und sich beschwerte, daß der Vater sie ohne ihren Willen verheiratet hätte. Der Prophet hat diese Ehe für nichtig erklärt.
Die muslimische Frau hat auch das Recht, sich scheiden zu lassen. Das nicht nur, wie oft dargestellt, bei psychischen oder physischen Mängeln des Mannes, sondern auch dann, wenn die Frau keine Liebe mehr für den Ehemann empfindet. Der folgende Vers verdeutlicht das Wesen der Ehe: „Und unter Seinen Zeichen ist dies, dass Er Gattinnen/Gatten für Euch schuf aus euch selber, auf dass ihr Frieden bei ihnen fändet und Er hat Liebe und Zuneigung zwischen euch gesetzt. Hierin sind wahrlich Zeichen für ein Volk, das nachdenkt.“

Liebe und Zuneigung sind das A und O in der Ehe. Wenn diese nicht mehr vorhanden sind, ist es erlaubt, daß die Ehepartner sich scheiden lassen. Die Scheidung ist eine erlaubte, aber nicht wünschenswerte Handlung. Die Ehe ist kein Sakrament, sondern ein zivilrechtlicher Vertrag zwischen dem Mann und der Frau. In diesem Vertrag wird unter anderem die Höhe der Brautgabe festgelegt. Diese gehört ausschließlich der Frau und dient ihr als finanzielle Absicherung im Falle einer Scheidung. Die muslimische Frau behält auch nach der Heirat ihren Nachnamen und bleibt eine eigenständige Persönlichkeit. Sie hat das Recht auf vollen Unterhalt durch den Ehemann.

Mann und Frau sind gleichermaßen verpflichtet, zum Erhalt einer intakten Familie beizutragen und sich gegenseitig in ihren Beziehungen und Aufgaben in der Gesellschaft zu unterstützen. In der Sure 9, Satz 70 heißt es: „ Die gläubigen Männer und Frauen sind einer des anderen Freund. Sie gebieten das Gute und verbieten das Böse und verrichten das Gebet und zahlen die Zakat und gehorchen Allah und Seinem Gesandten.“
Mann und Frau wird empfohlen, die islamische Lebensweise zu praktizieren, damit sie (auf Erden?) im Jenseits die Glückseligkeit erlangen.

Dazu gehört auch das Befolgen der islamischen Bekleidungsphilosophie, die für Männer und Frauen gleichermaßen gilt, wobei hierbei kein Zwang angewandt werden darf: „Sage den gläubigen Männern, dass sie manche von ihren Blicken zurückhalten und ihre Scham hüten, das ist besser für sie, Allah ist ja dessen kundig, was sie tun. Und sage den gläubigen Frauen, dass sie manche von ihren Blicken zurückhalten und ihre Scham hüten und nicht ihren Schmuck sichtbar machen, außer was davon außen ist, und sie sollen ihre Kopftücher über ihre Kleiderausschnitte schlagen , und nicht ihren Schmuck sichtbar machen (..).“ (24:31)

Die Frau im Islam hat grundsätzlich auch das Recht auf Arbeit. Es gibt keine Anordnung, die der Frau verbietet, einen Beruf auszuüben, wann immer dies notwendig sein mag und in der Gesellschaft von Nutzen ist. (Der Islam schlägt keine spezifischen Rollen im Detail vor, auch wenn dies oft behauptet wird. Dann könnte der Islam nämlich nicht mehr kulturübergreifend und für die gesamte Geschichte der Menschheit gültig sein.) Allerdings besteht u.a. aus biologischen Gründen eine der primären Aufgaben der Frau darin, Kinder zu gebären und sie aufzuziehen.
Der Islam schätzt die Rolle der Frau als Partnerin ihres Mannes und Mutter sehr hoch ein und betrachtet sie als die wichtigste. Weder Hausmädchen noch Babysitter sind in der Lage, den Platz der Mutter in der Erziehung eines aufrechten, selbstbewußten und mit fürsorglicher Liebe erzogenen Kindes einzunehmen. Eine so edle und wichtige Aufgabe, die weitgehend die Zukunft der Welt bestimmt, kann nicht als Muße oder Untätigkeit betrachtet werden.

Ein Mann fragte den Propheten: „Gesandter Allahs, wer hat das größte Anrecht darauf, daß ich ihm ein guter Gefährte bin?“ Er antwortete: „Deine Mutter.“ Er fragte: „Wer dann?“ Er antwortete: „Deine Mutter.“ Er fragte: „Und wer dann?“ Er antwortete: „Deine Mutter.“ Er fragte: „Und wer dann?“ Er antwortete: „Dein Vater“. (Buchari)
„Primäre“ bedeutet jedoch nicht „ausschließliche“ Aufgabe. Unter Umständen könnte die muslimische Frau sogar zur Arbeit verpflichtet werden, wenn sie Ärztin oder Lehrerin ist und „Not am Mann“ herrscht. Sie wird in der Regel auch als Lehrerin für Mädchenklassen oder als Gynäkologin gegenüber einem Mann bevorzugt. Davon abgesehen wird es aber immer eine Einzelfallentscheidung sein, wie weit sich die moralische Pflicht der Kindererziehung mit einer Berufstätigkeit vereinbaren lässt. In jedem Fall steht ihr aber für ihre Arbeit gleicher Lohn zu, wie einem Mann: „… Die Männer sollen ihren Anteil erhalten nach ihrem Verdienst, und die Frauen sollen ihren Anteil erhalten nach ihrem Verdienst.“ (Sure 4:32). Das Geld, das sie dabei verdient, bleibt ausschließlich ihr Eigentum. Sollte eine Frau unbedingten Wert auf eine Berufstätigkeit legen, so empfiehlt es sich, falls sie heiratet, sich mit dem zukünftigen Ehemann bereits vor der Ehe darauf zu verständigen und dieses im Ehevertrag festzuhalten. Genau wie der Mann hat die Frau das Recht und die Pflicht, zu lernen. Allahs Gesandter (s) hat gesagt: „Das Streben nach Wissen ist Pflicht für jeden Muslim.“ (Anas; Baihaqi). Leider ist das ein Punkt, wo die islamischen Grundsätze und die Praxis der Muslime zum Teil weit auseinander gehen. Hadithe (dem Publikum erklären, was das ist!) wie der folgende finden da wenig Beachtung: Allahs Gesandter (s) hat gesagt: „(..) und wer drei Töchter aufgezogen hat, oder ihresgleichen von (seinen) Schwestern, und ihnen eine gute Erziehung gegeben hat, sie mit Güte behandelt hat, bis sich Allah ihrer annimmt, für den hat Allah das Paradies bestimmt.“ Ein Mann fragte: „Allahs Gesandter, und bei zweien?“Er antwortete: „Und (auch) bei zweien“, so dass der Mann fragte: „Und bei einer?“ Er antwortete: „Und auch bei einer).“

Gleiches wie für Lernen und Ausbildung der Mädchen gilt für die Teilnahme der muslimischen Frau am gesellschaftlichen Leben. „Das Gute zu gebieten und das Böse zu verbieten“ (3-100,101) ist eine Pflicht für den Mann und die Frau. Die muslimische Frau hat das Recht und auch die Pflicht, sich an der Gestaltung der Gesellschaft zu beteiligen und ihren Beitrag zu leisten.

Zur Zeit des Propheten (s), die uns als Vorbild gilt, durfte nach einer Aussage Muhammads (s) den Frauen die Teilnahme am Gemeinschaftsgebet nicht verwehrt werden (wozu offensichtlich auch damals schon Tendenzen bestanden). Heute haben in manchen islamischen Ländern Frauen keinen Zutritt zur Moschee, zumindest sind sie aber durch einen Sichtschutz von den Männern getrennt, was in der Moschee des Propheten nicht der Fall war und ist. Die Teilnahme am Gemeinschaftsgebet und ganz allgemein der Zutritt zur Moschee ist insofern wichtig, als die Moschee nicht nur ein Ort der Andacht und des Gebets ist, sondern immer auch ein Ort des Lernens, sozialer und politischer Versammlungen etc.

In früherer Zeit wurden sogar Gesetze und Verordnungen von der Kanzel verkündet. Einmal wetterte zum Beispiel der zweite Kalif Omar in einer Freitagspredigt gegen die Frauen, die eine viel zu hohe Brautgabe (Mahr) forderten, und wollte diese auf einen Höchstsatz beschränken. Da stand eine Frau auf und wies den Kalifen darauf hin, dass eine solche Regelung gegen Sure 4:20 verstoße. Der Kalif gab ihr Recht und sah von einer Neuregelung ab. Das sollte heute eine Frau wagen, mitten in der Freitagspredigt aufzustehen und das Staatsoberhaupt zurechtzuweisen!
Es gibt aber, besonders in der frühen Geschichte des Islams, viele andere Beispiele dafür, dass Frauen des Propheten die Funktion von Lehrerinnen und Rechtsgelehrten übernahmen, die von Männern und Frauen gleichermaßen konsultiert wurden. Dies war der Fall nach dem Tode des Propheten (s). Aischa, seine jüngste Frau, führte sogar ihre Anhänger in einer kriegerischen Auseinandersetzung mit einer anderen Partei an. Aber auch andere, „normale“ Frauen waren Geschäftsfrauen, Krankenpflegerinnen usw. Beim sogenannten „Gelübde von Aqaba“ legten auch Frauen den Treueid ab, was durchaus eine politische Handlung darstellte. Eine Frau des Propheten, Hafsa, hatte nach dessen Tod das Manuskript des Qur’an, nach dem bis heute alle Exemplare gedruckt werden, in ihrer Obhut (Krause, 1988).

In der islamischen Welt war es auch durchaus üblich, daß Ehepartner ihre intellektuellen Interessen miteinander teilten. Bedeutende Wissenschaftlerinnen, die öffentlich lehrten, gab es nachweislich bis ins 19. Jahrhundert (Krause, 1988). Fatima Mernissi, islamische Feministin ohne theologisch-islamische Ausbildung, bringt Beweise, dass Musliminnen auch Verantwortung übernahmen, einen Staat zu regieren, wie z.B. Radia auf dem Moghulen-Thron in Delhi (von 1236 bis 1240) oder die Khayzuran, die Mutter des sagenhaften abbasidischen Kalifen Harun-al-Raschid.

Das Vorgetragene ist ein Ideal, welchem die Muslime nacheifern sollten. Es wäre aber falsch, sich hinter diesem zu verstecken. Das, was heute insbesondere in Europa gelebt wird, ist meistens ein „traditionsgeprägter Mischmasch, den die Leute Islam nennen“. So bezeichnete es Murad Hoffman, der zum Islam konvertierte frühere Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in seinem Buch “Der Islam im 3. Jahrtausend“.
Die erste Aufgabe der Muslime sollte es sein, eine Geisteshaltung, die zur Benachteiligung der Frau führt, zu korrigieren. Männer sollen ihre Haltung gegenüber Frauen prüfen, denn der Prophet Mohammed hat gesagt: „Der beste unter euch ist derjenige, der seine Frau am besten behandelt.“

Die größte Arbeit aber liegt bei uns Frauen. Wir müssen von den muslimischen Männern unsere uns von Gott zugestandenen Rechte und von der hiesigen Gesellschaft unsere Gleichbehandlung gegenüber nicht-muslimischen Frauen einfordern. Wir sollten uns aber auch in diese Gesellschaft einbringen. Das Muslimsein verlangt Handeln – somit ist es unsere Pflicht und Verantwortung, in der Gesellschaft, in der wir leben, aktiv zu sein und uns für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen.

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