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Bevölkerung und die Moschee in Penzberg
Vortrag von Imam Benjamin Idriz im Werkbund Bayern, München am 31.01.2009
Kirchen, Synagogen, Moscheen – Religionen und ihre Räume in unserer Gesellschaft
Erlauben sie mir meinen Impuls mit folgenden Worten einzuführen:
„Und wenn Gott nicht die einen Menschen durch die anderen zurückgehalten hätte, so wären gewiss Klausen, Kirchen, Synagogen und Moscheen, in denen der Name Gottes oft genannt wird, niedergerissen worden.“ (Koran 22:40)
Dieses Zitat ist weder irgendeinem religiösen Würdenträger noch einem Architekten für Sakralbau zuzuschreiben, es sind die Verse jener göttlichen Botschaft, die sich zuletzt im Koran (22. Sure, 40. Vers) wieder findet. Ja! – Gott selbst nennt die Gebetsstätten jeder seiner einzelnen, von ihm gewollten Religionsgemeinschaft und nicht nur das, der Mensch wird angewiesen, diese zentralen Stätten des Glaubens, des Friedens, der Begegnung, in Respekt zu würdigen, sie allesamt in Sicherheit zu wissen und sie zu unantastbaren Orten zu erklären.
So hoffe ich und bin guter Zuversicht, dass das heutige Symposium einen Beitrag zum Verständnis der Notwendigkeit von Sakralbauten leistet, und, was meinen Standpunkt angeht, damit zu unserer urbanen und weit darüber hinaus gesellschaftlichen Verantwortung beiträgt.
Ich wurde gebeten einige Gedanken über meine Wirkungsstätte in Penzberg vorzustellen, in einer „Moschee“ also, oder wenn ich hinzufügen darf, nicht nur in einer Moschee, aber auch. Zugegebenermaßen fällt es mir nicht leicht, über eine spontane Idee zu sprechen, die in einer kleinen oberbayerischen Stadt entstand und von einer ebenso kleinen muslimischen Gemeinde kommt. Man muss Penzberg und seine Moschee erlebt haben um Penzberg und seinem Geist folgen zu können. Damit steht die Einladung, meine Damen und Herren, Penzberg zu besuchen, seien sie uns willkommen in unserer Stadt, in unserer Moschee!
Wenn heute über Penzberg im positiven Sinne in Zusammenhang mit Moscheearchitektur und gelungener Integration gesprochen wird, so ist dies einem jahrelangen unermüdlichen Engagement von Menschen geschuldet, sowohl von Seiten der nichtmuslimischen Bevölkerung, als aber auch von Muslimen, die mit bewussten Schritten in die Gesellschaftsstruktur vor Ort klare und bekennende Signale gesetzt haben.
Und damit bin ich beim Anfang unseres Standpunktes in Penzberg.
Moscheen – wie wir sie heute auch in Penzberg verstehen, haben offene und willkommene Orte zu sein für Menschen ohne Unterschied ihres Geschlechtes, ihrer Rasse, ihrer Herkunft, ihrer Sprache, ihrer Weltanschauung. Moscheen können und dürfen nicht unter der Hypothek eines Landes, eines politischen Systems, einer Ideologie oder eines Einzelnen stehen. Eine Bewertungsskala nach Jung oder Alt, Frau oder Mann, mit oder ohne Kopftuch, sehr religiös oder weniger religiös, steht nicht zur Debatte. Ebenso wenig, wie Moscheen nach islamischem Grundverständnis nach Volkszugehörigkeit oder ideologischen Richtungen ausgerichtet sein sollten. Als die Araber in Andalusien und die Türken im Balkan Moscheen errichteten, haben sie ihre Moscheen nicht nach diesem oder jenem Volke klassifiziert. Sie verstehen worauf ich hinaus möchte, die Organisationsstrukturen der Moscheen in Europa, wie wir sie gegenwärtig noch viel zu oft vorfinden, entsprechen weder der islamischen Theologie, noch der vierzehnhundertjährigen Historie des Islams.
Hiervon resultierend gilt für Penzberg, zum einen, statt eines traditionellen, geographisch, politisch und ideologisch gebundenen Religionsverständnisses, einen Diskurs zu eröffnen der möglichst wissenschaftlich fundiert, einen universellen Kontext berücksichtigt und gleichzeitig der Zeit und dem Ort verpflichtet, neu auftauchende Fragen einbezieht. Zum zweiten gilt es, die Bewusstseinsstärkung der Muslime für das Land zu fördern, in dem sie leben und womöglich auch sterben werden, deren Staatsbürgerschaft sie besitzen, häufig immer noch ohne ausreichende Kenntnisse über ihre Pflichten und Rechte. Und zuletzt bedeutet das, den deutschen Spracherwerb zu unterstützen, den noch mehrsprachig organisierten Moschee-Alltag sukzessive heranzuführen an die gemeinsame Landessprache. Beispiele hierfür sind in Penzberg z.B. die Freitagspredigten, die einmal im Monat ausschließlich in Deutsch gehalten werden oder, dass der Vorstand der Gemeinde seine Sitzungen grundsätzlich in Deutsch abwickelt, oder aber auch, dass die Mitglieder, deren Herkunft sich auf mittlerweile 11 Nationen zurückführen lässt, auf Deutsch verständigen.
Zu einem weiteren Punkt muss leider immer noch und immer wieder deutlich und ausdrücklich Stellung bezogen werden. Leider deshalb, weil die deduktive Wahrnehmung von der muslimischen Frau in der deutschen Gesellschaft nach wie vor von Unterordnung und Unterdrückung bestimmt wird. Und auf muslimischer Seite – bedauernswerterweise – dieses Bild im 21. Jahrhundert in Europa teilweise ja auch Berechtigung findet! Zu unserem heutigen Thema passend: Wenn wir uns einen Teil der Moscheen vor Augen führen, die in dem letzten Jahrzehnt in Europa erbaut wurden, finden wir noch gesonderte Gebetsräume für Frauen, und damit alles andere, als angemessene Gebetsstätten. Dass hier der patriarchalische Entwicklungsprozess des Ostens immer noch so einen großen Einfluss ausübt, tut weh! Gerade wenn man aus dem Fachbereich islamische Theologie kommt und weiß, wie sich in der Urgemeinde des Propheten im 7. Jahrhundert Frauen und Männer gemeinsam die Moschee teilten und Frauen einen gleichen Anteil in Gebeten und Verwaltung und Organisation einnahmen.
Das, was uns Muslimen noch fehlt, ist eine Intensivierung und Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit unserer Moscheen, die über den jährlichen Tag der offenen Moschee hinausgehen, so positiv dieser auch ist. Es genügt nicht, zu betonen, dass man ja stets eine offene Tür habe. Schriftliche Selbstdarstellungen, in denen auch über die Aktivitäten der Moschee Transparenz geschaffen wird, sowie häufigere Veranstaltungen, mit denen auch die nichtmuslimische Bevölkerung angesprochen wird, ein Fenster nach Außen, wie es heutzutage das Internet bietet und gebietet, wären hilfreiche Mittel. Die Moscheen müssen ihre Kontakte zu ihren Nachbarn und zu den Institutionen der Mehrheitsgesellschaft intensivieren, um als selbstverständliche, lokal integrierte Bestandteile des öffentlichen Lebens anerkannt zu werden. Im Zuge des Generationswechsels in den Moscheevereinen kann davon ausgegangen werden, dass auch der Gebrauch der deutschen Sprache bei allen Aktivitäten der Moschee weiter zunehmen wird, was zu ihrer Öffnung beiträgt, während die Differenzierung der Moscheevereine nach ethnischen und sprachlichen Kriterien, so ist zu hoffen, an Bedeutung verlieren wird.
Ich maße mir nicht an, in Anwesenheit von Architekten über zeitgemäße Architektur der Moscheen zu referieren. Ich nehme mir aber die Freiheit, als direkt von dieser Architektur Betroffener, einen subjektiven Blick zu wagen. Und behaupte, dass es schon immer so war, dass Moscheen zu ihrer Architektur gefunden haben, je nachdem wer ihr Bauherr und Architekt war und wo sie ihren Bestimmungsort fanden. Ein Blick in die Vergangenheit verweist auf den Einfluss von außerhalb islamischer Kulturen und Zivilisationen auf die Individualität der Moscheearchitektur. Warum sollte es unseren europäischen Architekten nicht gelingen können, das noch relativ neu und vielleicht deshalb auch noch als fremd empfundene Islambild in Deutschland, gerade im äußeren Erscheinungsbild der Architektursprache in etwas Gewohntes, Modernes, Begreifliches und Nahes zu transformieren? Wenn sich ein charakteristisches Muster andalusischer, arabischer oder osmanischer Modelle etablieren konnte, warum sollte es dann nicht gelingen auch ein europäisches Modell zu festigen? Und wenn Deutschland zu den Etiketten mit Marke zählt, warum dann nicht auch ein Etikett für „Mosque Made in Germany – Europe“?
Alleine mit dem Einkleiden ist es aber im Hinblick auf ein gedeihliches Zusammenwirken in einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft nicht getan. Es erscheint mir vielmehr essentiell, dem Geist dieses Raumes gerecht zu werden.
Moscheen sind mehr als Orte des Gebetes, auch wenn dies ihre wichtigste Bestimmung ist. Es ist wichtig zu erwähnen, dass eine Moschee kein geweihter Ort ist, sondern lediglich ein Gebäude, das der Verrichtung des gemeinschaftlichen Gebetes dient und somit einen Raum schafft, der nicht unterscheidet zwischen heilig und profan. Also können guten Gewissens auch die Fragen gestellt werden: Wozu und für wen bauen wir unsere Moschee? Welchen Standpunkt haben wir, wo wollen wir hin? Können wir uns den Herausforderungen stellen, die ein sichtbarer Baukörper mit sich bringt? Werden wir personell und finanziell dieses Projekt einmal tragen können? Für welche Botschaft bürgt die neue Moschee in ihrem heterogenen oder homogenen Umfeld?
Dies waren auch anfängliche Fragen in Penzberg. Nach einer progressiven Vorbereitungsphase, bei der Muslime zusammen mit unterschiedlichen Parteien des öffentlichen Lebens in Penzberg mit am Tisch saßen, diskutierten, planten, Vorschläge einbrachten und entscheidend: damit zum Ausdruck brachten, dass diese Moschee, dieses Haus des Gebetes, Raum für alle Penzbergerinnen und Penzberger bietet und damit ganz bewusst in die Entscheidungsfindung eingebunden worden sind. So ist es heute selbstverständlich, dass jeder dritte Bürger Penzbergs die Moschee besucht, an einer Veranstaltung teilgenommen oder sich auch in die ehrenamtlichen Tätigkeiten im Haus eingebracht hat. Alleine in den letzten drei Jahren, durften wir uns auf mehr als 15.000 Besucher freuen, unter ihnen namhafte Politiker, Diplomaten, Medienvertreter, Wissenschaftler, Jugendliche und Kinder, Menschen aus ganz Deutschland und auch über die Landesgrenzen hinaus, waren unsere Gäste und Gesprächspartner. Mit dem sichtbar Werden kamen vielfältige, im Vorfeld latent wahrgenommene Aufgaben, sowohl auf die nichtmuslimische, als aber auch auf die muslimische Bevölkerung zu. Vor allem in Bildungseinrichtungen in und um Penzberg schlägt sich das Thema Islam und Muslime im Stundenplan entweder mit einem Besuch der Moschee oder einer Einladung einer Referentin, eines Referenten in die jeweilige Einrichtung nieder. Zu spüren ist eine Sensibilisierung für Fragen, die das alltägliche Leben genauso betreffen wie globale Themen, eine deutlich differenzierte Haltung wird eingenommen, wenn in den Medien „Bad News“ über den Islam und Muslime veröffentlicht werden.
Bei den Muslimen wiederum ruft das Gefühl, eine richtige Moschee – ohne Kuppel und mit filigranem Minarett – zu haben, die nicht nur Beachtung von Muslimen sondern eben auch von dem einst kritischen deutschen Nachbarn findet, eine Resonanz des Wohlfühlens, Angenommenseins und des Respekts gegenüber ihrer Religion hervor.
So wie es in Penzberg ein Rathaus gibt, mehrere Schulen, einige Kirchen, ein Krankenhaus, ein Museum, eine Polizeidienststelle, viele Geschäfte, ohne die eine Stadt nicht denkbar wäre, gehört zu Penzberg eben auch eine Moschee oder genauer das Islamische Forum. Die Betonung liegt bei Forum, in diesem Forum können sämtliche Räume von jedermann angemietet werden. Und so hatten wir schon einem Kindergarten aus Penzberg für einige Wochen ausgeholfen, weil Platzmangel herrschte, oder dem Arbeitsamt unsere Türen geöffnet, das mehrere Monate hinweg eine Fortbildung anbot, oder einen Deutschkurs für Frauen ins Haus geholt.
Heute ist die Moschee in Penzberg nicht nur ein Teil dieser Stadt. Sie ist innerhalb kurzer Zeit gewachsen zum Symbol für ein fruchtbares Miteinander. Auch wenn wir noch in den Anfangsschuhen stecken, ist eine Vision erreicht: In Penzberg gibt es nicht die Moschee oder die Kirchen, in Penzberg gibt es unsere Kirchen und unsere Moschee.
Danke für ihre Aufmerksamkeit!