Nacht der Bestimmung – Lailutu-I-Qadr

26. Mai 2014Glaube

Was macht die Nacht „Qadr“ so wertvoll?

Gott hat im Koran eine einzige Nacht unter allen Nächten als „segenswert“ gesprochen und sie „besser als 1000 Monate“ bewertet. Diese Nacht heißt „Qadr“; die Nacht der „Bestimmung“ oder die Nacht des „Werts“.
Im Koran gibt es eine ganze Sure allein über diese Nacht:

„Wir haben den Koran in der „Nacht der Bestimmung“ herabgesandt.
Und was lässt Dich wissen, was die „Nacht der Bestimmung“ ist?
Die Nacht der Bestimmung ist besser als tausend Monate.
In ihr kommen die Engel herab und der Geist, mit der Ermächtigung ihres Herrn, mit jeglichem (göttlichen) Beschluss, Friede ist sie, bis zum Anbruch der Morgendämmerung.“ (Sure 97: 1-5)

Diese Nacht ist hinsichtlich ihres Segens und des Segens für die darin verrichteten rechtschaffenen Taten besser als tausend Monate, d.h. besser als die Gottesdienste von tausend Monaten und das ist gleichbedeutend fasst 84 Jahren. Man sollte daher diese Nacht erwarten und sich bemühen, in ihr sehr viele gottesdienstliche Handlungen zu verrichten.

Aber die Frage ist, was macht diese Nacht so wertvoll? Die Nacht-Zeit selber, oder was anderes?

Es gibt keine absolut gute oder schlechte Zeit in der muslimischen Zeitwahrnehmung. Ob Zeit gut oder schlecht ist, hängt vom Menschen ab. Es ist die Haltung des Menschen, die die Zeit gut oder schlecht macht.

Wenn es unter Zeiten eine gesegnete Zeit gäbe, würde es diese Nacht sein. Denn, gemäß seiner eigenen Erklärung, die Offenbarung des Korans begann in dieser Nacht herabgesandt zu werden. Wiederum erklärt er selbst, dass diese Nacht dem Monat Ramadan entspricht (2:185) und eine Nacht, die von Gott gesegnet wurde (vgl. 44:3). Dieser Wert wird vom Koran in Zahlen ausgedrückt: „Die Nacht von Qadr ist besser als tausend Monate.“ bzw. eine Nacht besser al 30000 Nächte.

Tausend Monate belaufen sich auf ungefähr 84 Jahre. Es bedeutet die Zahl von Jahren, die ein ziemlich langlebiger Mensch leben kann. In diesem Fall konnte dieser Vers auch folgendermaßen gelesen werden: „Die Nacht von „Qadr“ ist besser als ein ganzes Leben.“

Entstammt dieser Wert, der der Nacht von „Qadr“ zugeschrieben wird, der Nacht selbst oder einem anderen Element, das der Nacht ihren Wert gibt?

Die Antwort auf diese Frage wird durch den ersten Vers auf eine klare Weise gegeben. Dementsprechend nimmt diese großartige Nacht ihren ganzen Wert vom Koran. Denn der Koran begann in dieser Nacht herabgesandt zu werden. Dass das Element, das eine Nacht wertvoll macht, nicht der Nacht/Zeit gehört, kann auch von der Tatsache verstanden werden, dass diese Nacht nicht einer festen Zeit entspricht. Denn die fragliche Zeit gehört dem Mondkalender und die typischste Eigenschaft, die den Mondkalender vom Sonnenkalender unterscheidet, ist, dass der Mondkalender nicht feststehend, sondern ständig wechselhaft ist. Also, ein Teil der Zeit, der innerhalb des Mondjahres besonders gemacht wird (wie Ramadan) nimmt sein Segen nicht von sich selbst, sondern von einem „Wert“ außerhalb sich selbst.

Nachdem es sich herausgestellt hat, dass der Kran das Element ist, dessentwegen die Nacht von Qadr 30000 Mal wertvoller wird, erweist es sich richtig und angemessen, dass der ganze Segen keinem statischen Teil der Zeit/Nacht, sondern dem Koran zuzuschreiben ist. Das hat das folgende zu bedeuten: O Mensch! Wenn dieses Buch, das sogar die Zeit seiner eigenen Herabsendung 30000 mal wertvoller machte; wenn sie auf dein Herz, Verstand, Leben und Welt hinausläuft, wird sie dir ein Leben gewähren, dessen einzige Nacht ebenso gesegnet wird wie ein ganzes Leben, sie wird dein Gefühls-, Gedanken- und Handlungspotenzial tausende Male vergrößern!

Lies den Koran so, als ob er zu dir herabgesandt würde!
Ja, der Koran ist dir herabgesandt.

Es ist die einzige Möglichkeit, diese Nacht bewusst zu verbringen, indem man die Botschaften des Korans studiert und sie verinnerlicht. Denn der Koran wurde von Gott an die Menschheit als ein Wegweiser und als Mittel zur Glückseligkeit geschickt: „Wir haben den Koran nicht auf dich herabgesandt, um dich unglücklich zu machen“ (20:1) Um die Welt glücklicher zu machen, müssen wir den Koran von Anfang an neu verstehen!

Die Gläubigen müssen diese Nacht mit dem Koran, dessen Licht unendlich leuchten wird, wachsam verbringen und sich Gedanken über seine Botschaften machen und mit sich selbst kritisch umgehen.

Muslim sein heute bedeutet, den Koran, auf den Kontext des Hier und Jetzt zu projizieren. Wir müssen den Koran offen und dynamisch verstehen. Auch wenn wir Muslime glauben, dass die Offenbarung des Korans das unmittelbare und ewige Wort Gottes ist, so dürfen und müssen wir verstehen, dass es nicht nur darauf ankommt, was Gott im Wortlaut gesagt hat, sondern vor allem auch darauf, was Er damit gemeint hat. Gott offenbart dem Menschen keine fertigen Antworten, sondern er zeigt ihm Beispiele aus einer bestimmten gesellschaftlichen Wirklichkeit und verlangt von ihm, dass er daraus Schlüsse zieht und dadurch sein Bewusstsein schärft. Um die Botschaft des Korans zu verstehen muss ich auf meine Halsschlagader hören, auf mein Herz, in mein Innerstes hinein – denn dort finde ich Gott. Das formuliert der Koran sehr einprägsam und in aller Deutlichkeit, wenn er sagt: „Wir sind dem Menschen näher als seine Halsschlagader“ (50:16). Gottes Anliegen ist es also, eine Beziehung zu dem Menschen, zu knüpfen.

In der Zeit der Offenbarung, bewirkte der Koran in allen gesellschaftlichen Fragen eine Reform, und er überließ die Fortsetzung dieser positiven Entwicklung der Vernunft und dem Gewissen des Menschen.

Als das erste Gebot des Korans, „Lies!“ (96:1) verkündet wurde, gab es noch keinen Text zu lesen. So war damit eher gemeint: Versuche zu verstehen! – verstehen, was Gott sagen will, das Dasein, die Natur und alles, was die Menschheit in heutzutage betrifft.

Und so wie Gott sich zur Zeit des Moses oder Jesus für seine Offenbarung der Sprache und Kultur der Israeliten jener Epoche bediente, so tat er es später mit der Sprache und Kultur der Araber zur Zeit des Propheten Muhammad. Das Motiv aber, das sich als roter Faden durch alle Offenbarungen hindurch zieht, ist die alles menschliche Maß übersteigende Barmherzigkeit Gottes; Friede! „Allah lädt ein zum Haus des Friedens!“(10:25)

In dieser Nacht „Qadr“ steigen viele Engel und der Erzengel Gabriel auf die Erde hinab, um Menschen zu beobachten wer friedlich mit der Walt umgeht. „Friede ist sie, bis zum Anbruch der Morgendämmerung“ (97:5), also für Frieden einsetzen bis die Dunkelheit des Hasses, der Gewalt und des Krieges den Menschen verlässt!

Als Gläubige müssen wir in dieser Nacht, in dem die Tore der Barmherzigkeit sich öffnen, mit Unterstützung aller Engel für den Frieden und die Versöhnung in der Welt beten.

Es ist das Bittgebet, das von unten nach oben hinaufsteigt.

Es ist die Annahme des Bittgebets, die von oben nach unten heruntersteigt.

Es ist das Bewusstsein, das vom Menschen zu Gott hinaufsteigt.

Es ist die Gottesoffenbarung, die von Gott zum Menschen heruntersteigt.

„Heil und Frieden ist sie, bis zum Morgengrauen“
Der Ramadan neigt sich nun seinem Ende zu. Er ist uns, nach den Worten unseres Propheten (s.a.w.), ein Monat des Segens, der Vergebung und der Errettung. Was ihn zu einem solch bedeutenden Monat für uns macht, ist die Herabsendung des Koran in ihm. So war es eine Nacht im Ramadan, die Qadr-Nacht, als der erste Koranvers auf die Menschheit herabgesandt wurde. Diese Qadr-Nacht, die Nacht der Bestimmung oder der Macht, wenn Sie wollen, die Nacht, da die Bestimmung mit Macht auf uns herabkam, fällt in diesem Ramadan auf den 03. August. Dank sei Allah, dass wir sie ein weiteres Mal erleben, ihren Wert und ihre Botschaft erneut begreifend ergreifen können die Gelegenheit, uns wieder nach der Botschaft dieser Nacht zu richten.

Sie, die Qadr-Nacht, wird uns kundgetan im Koran wie folgt: “Wahrlich, Wir sandten ihn (den Koran) in der Qadr-Nacht herab. Und weißt du, was die Qadr-Nacht ist? Die Qadr-Nacht ist wohl bringender noch als tausend Monate. Die Engel und der Geist (Dschebrail) steigen in ihr mit der Erlaubnis ihres Herrn für alle möglichen Angelegenheiten herab. Heil ist sie, bis zum Morgengrauen.“ [Sure Qadr, Verse 1-5] Demnach macht den Wert dieser Nacht der Koran aus bzw. der Beginn der Herabsendung seiner. Auch die Bedeutung unseres Propheten Muhammed (s.a.w.), seiner Entsendung als Barmherzigkeit für alle Welten, geht einher mit der Offenbarung des Koran, die er als Empfänger und Verkünder ihrer weiterzugeben gesandt wurde. Wie auch Mekka, ansonsten eine gewöhnliche Stadt, zum „sicheren Ort“ bzw. zur „Mutter der Städte“ wurde durch die Offenbarung des Koran, die erstmalig hier nieder ging.

Wer die Botschaft des Koran verstehen und die Werte, die er vermittelt, leben, seinen Anteil von diesen haben will, der muss sich auch mit ihm auseinandersetzen, sich mit ihm beschäftigen. Der Wert eines Menschen vor Allah richtet sich nach eben dieser Beschäftigung mit dem Koran. „Heil bringender noch als tausend Monate ist sie“ heißt es im Koran über die Qadr-Nacht. Gewissermaßen ist hiermit ein durchschnittliches Menschenleben gemeint. Denn diesen Vers können wir auch verstehen als Aufforderung, uns mit dem Koran zu beschäftigen. Als Heil bringender diese eine Nacht noch, da er uns den Koran brachte, als ein ganzes Menschenleben, ohne Beschäftigung mit dem Koran! Sie lädt uns damit jedes Jahr im Ramadan erneut dazu ein, uns – vielleicht wieder und intensiver – mit dem Koran zu beschäftigen. Und erinnert uns jedes Jahr wieder daran, wie wichtig der Koran für uns ist, wie wichtig es für uns war, Gegenstand seiner Ansprache und seiner Selbst geworden zu sein, ja dass die Wertigkeit dessen sogar so hoch anzusiedeln ist, wie ein ganzes Menschenleben.

Dazu gehört nicht nur, dass wir ihn lesen oder seinem kunstvollen Vortrag folgen. Vielmehr müssen wir ihn für unser Erdenglück sowie für das im Jenseits, in und mit seiner Botschaft zu verstehen, diese umzusetzen suchen. Denn er lädt uns ein zu Brüderlichkeit, zur Wahrheit, Gerechtigkeit, zu Liebe, Teilen, Anstand und Sitte, zu Solidarität. Andererseits versucht er uns abzubringen oder weiterhin fern zu halten von Unsittsamkeit, von hässlichen Handlungen, dem Stöbern nach den Geheimnissen anderer, der Lüge und üblen Nachrede sowie vor allen anderen schlechten Handlungen.

Unser Prophet (s.a.w.) gemahnte uns seinerzeit, diese Nacht nicht zu vernachlässigen und um ihren Wert zu wissen: „Wer die Qadr-Nacht begeht, ihre Bedeutung und Erhabenheit würdigend und dabei seinen Lohn von Allah erhofft, dem werden seine vorausgegangenen Sünden erlassen.“ [Buchārī, Tarāwīh, 2; Muslim, Salāt, 25] Er legte uns zudem für diese Nacht folgendes Gebet nahe: „O Allah! Du bist der Vergebende und liebst es zu vergeben. So vergib auch mir.“ [Tirmizī, Deavāt, 84]

In dieser Nacht sollten wir alle um die Vergebung unserer Sünden bitten und erneuern unsere Entschlossenheit, ein Leben mit und nach dem Koran zu führen. In unsere Gebete schließen wir in dieser Nacht ein, all unsere Geschwister im Glauben, die Not, Leid und Unterdrückung erdulden. Insbesondere die Muslime in Myanmar und Arakan, deren Leid sich gerade im Ramadan dramatisch verschärft hat und die hier eine menschliche Tragödie erleben. Unsere Gebete gelten in dieser Nacht der Einkehr von Frieden und Eintracht in der Welt.

Mit seinem Segen hat er uns wieder beglückt, der Ramadan. Die Qadr-Nacht in ihm wollen wir nun gebührend gewahren und umsetzten die Botschaft, die er uns bringt. Allen voran den Muslimen in Deutschland, wünschen wir den Muslimen auf der ganzen Welt eine gesegnete Qadr-Nacht. Mögen die Bittgebete in dieser Nacht angenommen sein und der islamischen Welt zu Wohl und Heil gereichen. In der Hoffnung, dass wir alle derart geeint und glücklich das Ramadan-Fest erreichen, wünschen wir Ihnen allseits eine gesegnete Qadr-Nacht.

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